Koalitionsverhandlungen:Österreichs Schröder

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Wie ein Sieger verhandelt Wahlverlierer Schüssel mit der SPÖ - und weckt damit Erinnerungen an den Abtritt seines ehemaligen Amtskollegen aus Deutschland.

Michael Frank

Die bei der Nationalratswahl siegreichen Sozialdemokraten (SPÖ) haben am Freitag Koalitionsverhandlungen mit der überraschend unterlegenen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) aufgenommen - und davor gab es reichlich Bekundungen gegenseitiger Abneigung.

Noch-Bundeskanzler, Volksparteichef und ÖVP-Verhandlungsführer Wolfgang Schüssel beantwortete die Frage, zu welchen Zugeständnissen er und die ÖVP bereit seien: Das entscheidende Zugeständnis sei, dass man überhaupt verhandle.

Die Medien werteten solche Arroganz als Beweis, wie sehr der Schüssel-ÖVP in Jahren fast uneingeschränkter Macht das Gespür für das Wesen demokratischer Willensbildung abhanden gekommen sei. Österreich witzelt über die "Schröderisierung" Schüssels, weil dieser die verlorene Wahl immer noch als großen Sieg auszugeben versuche.

Frostiger Verhandlungsbeginn

Zugleich beharrt der mit der Regierungsbildung beauftragte SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer auf einem Untersuchungsausschuss über den Kauf neuer, "überteuerter" Kampfflugzeuge durch die Regierung Schüssel. Der soll notfalls mit den Stimmen der künftigen Opposition eingesetzt werden.

Selten haben in Österreich Gespräche zwischen möglichen Bündnispartnern so frostig begonnen. Dabei interpretieren alle professionellen Deuter das Wählervotum vom 1. Oktober als eindeutigen Auftrag für eine große Koalition.

Die Verhandler versteifen sich zunächst auf harte Nein-Positionen. Von "großen gemeinsamen Projekten", die nach Aussage beider Lager allein ein SPÖ/ÖVP-Bündnis für die nächsten vier Jahre zusammenhalten könnten, ist nicht der geringste Ansatz zu erkennen.

Das Nein der SPÖ, die mit zwei Abgeordneten mehr Seniorpartner der Koalition wäre, betrifft unter anderem den Kampffliegerkauf, die Studiengebühren, Teile der Rentenreform und die Gruppenbesteuerung von Firmen.

Das Nein der ÖVP bezieht sich etwa auf die von der SPÖ propagierte Grundsicherung für alle Bürger, die Einführung der Gesamtschule, die Abschaffung der gerade eingeführten Studiengebühren - und generell das Modifizieren oder Hinterfragen der Beschlüsse der vergangenen sechs Jahre in der Koalition mit den rechtsradikalen Freiheitlichen (FPÖ) beziehungsweise dem gleich gestrickten Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ).

Immerhin hat Schüssel zu Verhandlungsbeginn der SPÖ den umstrittenen Milliarden-Kaufvertrag über die Eurofighter vorgelegt. Warum erst jetzt? Gelten die "Geheimhaltungsvorschriften" nicht mehr, deretwegen der Verteidigungsminister sogar dem Bundespräsidenten als dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte die Einsicht verweigerte?

Rechtsaußen-Dreier-Koalition als Alternative

Gusenbauer hat einen versöhnlicheren, moderateren Verhandlungston als Schüssel angeschlagen. Dennoch gefällt der SPÖ-Chef sich zu sehr in der schon als Oppositionschef gepflegten Kanzler-Pose. Gusenbauer gab sogar schon eine Art Regierungserklärung ab, als ihm der Bundespräsident überhaupt erst den Auftrag gab, ein Kabinett zusammenzustellen.

Immerhin existiert nach wie vor eine Mehrheit von ÖVP, FPÖ und BZÖ in Österreichs Parlament. Zwar wünschen sich nur wenige eine solche Rechtsaußen-Dreier-Koalition. Sie steht aber - außer Neuwahlen - als alternatives Menetekel an die Wand geschrieben, sollten sich die Großen nicht einigen.

© SZ vom 14.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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