Koalitionsverhandlungen:Doppelte Klimafrage

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Komplizierte Gespräche: Angela Merkel bei den Sondierungen. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Kippt die Stimmung? Vor den Sozial-Sondierungen am Montag liefern sich FDP und Grüne einen offenen Streit über die Klimaschutzziele einer möglichen Jamaika-Koalition.

Von Kristiana Ludwig und Mike Szymanski, Berlin

FDP und Grüne liefern sich bei den Sondierungen einen offenen Streit über die Klimaschutzziele einer möglichen Jamaika-Koalition. Die Grünen machen weitere Gespräche mit CDU, CSU und FDP davon abhängig, dass sich die FDP "ohne Wenn und Aber zu den Klimaschutzzielen" bekenne, sagte Grünen-Chefin Simone Peter der Nachrichtenagentur Reuters. "Sonst machen die Gespräche keinen Sinn." Sie pocht auf die Einhaltung der deutschen Klimaschutzziele 2020 und des Pariser Klimaschutzabkommens.

Die damalige Bundesregierung hatte sich 2007 darauf festgelegt, bis 2020 den Treibhausgas-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Schon zu Beginn der vergangenen Wahlperiode war aber klar, dass dies ohne zusätzliche Eingriffe nicht zu schaffen ist. FDP-Chef Christian Lindner bezeichnete das Klimaziel 2020 zwar als "wünschenswert". Er sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wir haben das klare Bekenntnis." Nur könnten die Grünen "nicht darlegen, wie und um welchen Preis es bis 2020 gehen soll". Seiner Ansicht nach wäre es "unverhältnismäßig und unvernünftig", wenn dafür "soziale Härten und Verluste an Versorgungssicherheit" hingenommen werden müssten.

Am Sonntagabend sollte es um den Umgang miteinander gehen

Tatsächlich waren sich die Jamaika-Verhandler bereits einig in der Formulierung, dass diese Ziele "gelten", wie die SZ erfuhr. Dann jedoch entspann sich ein Streit um die Frage, ob der Begriff "Kohleausstieg" in einem gemeinsamen Papier auftauchen soll. Die FDP hält die Bezeichnung für einen politischen Kampfbegriff und lehnt dies ab. Lediglich von der "Reduzierung der Nutzung fossiler Energieträger" sollte die Rede sein. Das wiederum war den Grünen nicht genug. Als sich die Verhandler auch noch beim Thema Migration überworfen hatten, entschieden sie, die Gespräche zu vertagen. Parteikreise bestätigten einen Bericht der Bild am Sonntag, wonach die Parteichefs bereits am Sonntagabend zusammenkommen wollten. Es soll um den gegenseitigen Umgang und um die jeweiligen Erwartungen gehen - auch um den Begriff "Kohleausstieg". Der müsse rein, hieß es bei den Grünen. Streit ausräumen müssen die Chefs auch in der Flüchtlingspolitik. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der Bild am Sonntag: Die Zuwanderung sei eine "Frage von nationaler Bedeutung". Die Grünen müssten "endlich verstehen, dass es hier um unser ganzes Land geht und nicht um die Prenzlauer-Berg-Mentalität der Wohlstands-Grünen". Ursprünglich hatten die Parteien geplant, bei den Sondierungen am Montag über Bildung, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik sowie innere Sicherheit zu verhandeln. Womöglich wird die Tagesordnung umfangreicher. Die Grünen hatten vor der Wahl die Abschaffung der privaten Krankenversicherungen gefordert, Union und FDP sind strikt dagegen. Kompromisse könnten die Parteien dennoch finden: So sind alle dafür, Privatversicherten und Kassenpatienten den Wechsel in andere Versicherungen zu erleichtern. Auch dass die Kassenbeiträge, die Selbständige zahlen, zu hoch seien, kritisieren Fachpolitiker aller Fraktionen. Wichtig wird auch, wie die Verhandler die Situation in Pflegeheimen verbessern wollen. Grüne und FDP möchten den Betreibern vorschreiben, eine bestimmte Zahl von Mitarbeitern pro Bewohner zu beschäftigen. Im Gegenzug, heißt es aus der FDP, könne Steuergeld in die Einrichtungen fließen. Auch CDU-Pflegepolitiker Erwin Rüddel sprach bereits von einem solchen "Steuerzuschuss".

Die Grünen haben sich noch nicht festgelegt. Streit könnte es auch beim Thema Rente geben. Die FDP will erreichen, dass Beschäftigte ab 60 Jahren selbst entscheiden, wie lange sie arbeiten - bei entsprechenden Abzügen für Arbeitnehmer, die früh ausscheiden. Die Grünen fordern eine Garantierente, die unabhängig von privater oder betrieblicher Vorsorge bestehen bleibt. Die CSU will die Mütterrente ausweiten. Seit 2014 wird Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben, ein zusätzliches Jahr Erziehungszeit bei der Rente angerechnet. Die CSU will ihnen nun ein weiteres Jahr anerkennen. Dann wären ältere Mütter vollständig mit Frauen gleichgestellt, die nach 1992 Kinder zur Welt gebracht haben.

SPD-Chef Martin Schulz forderte Neuwahlen für den Fall, dass die Jamaika-Gespräche scheitern sollten. Der Funke Mediengruppe sagte er: "Wir werden nicht in eine große Koalition eintreten."

© SZ vom 30.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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