Koalition:Geheimsache Rentenmodell

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Union und SPD tun sich sichtlich schwer, einen Kompromiss zu finden.

Von Henrike Roßbach

Gremien und Arbeitsgruppen haben in der Regel die Ausstrahlung von Graubrot. Sie werden eingesetzt, wenn komplizierte Verhandlungen feststecken. Für eine bestimmte Zeit sitzt dann eine Gruppe Menschen zusammen, spricht hinter verschlossenen Türen miteinander und präsentiert danach viele Seiten Papier, was oft ohne Folgen bleibt. Mit einer in Ansätzen aufregenden Aura kann höchstens das Parlamentarische Kontrollgremium aufwarten, schließlich ist da alles schrecklich geheim.

Nun aber umgibt ausgerechnet die Koalitionsarbeitsgruppe zur Grundrente ein Hauch von Geheimnis, obwohl Schlagworte wie Bedürftigkeitsprüfung und Grundsicherungsanspruch so gar nichts Mystisches haben. Das Geheimnisvolle an der Arbeitsgruppe, die Union und SPD beim Koalitionsausschuss beschlossen hatten, ist vielmehr, dass man so gut wie nichts über sie weiß - nicht mal, ob es sie überhaupt schon gibt. Offiziell jedenfalls. Inoffiziell erfährt man, dass einfach alles recht zäh ist und länger dauert als geplant. Das Gremium, das ist sicher, hat noch nicht getagt.

Ausgangspunkt ist der Streit zwischen SPD und Union darüber, ob die Grundrente nur an bedürftige Rentner gezahlt werden soll oder an alle, die 35 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben und trotzdem nur auf eine kleine Rente kommen. Die Union sagt zu Letzterem "nein", die SPD in Person von Arbeitsminister Heil "doch". Weil das "Nein-doch-nein" schon recht lange hin und her geht, haben die Parteien sich am 18. August auf das Vorgehen geeinigt. "Zu Fragen der Grundrente soll in den kommenden 2-3 Wochen ein Grundsatzpapier durch die Bundesminister Heil und Braun erstellt werden", heißt es im Beschluss des Koalitionsausschusses. Gemeint ist Kanzleramtschef Helge Braun. Und: "Auf dieser Basis werden in einer Arbeitsgruppe der die Koalition tragenden Parteien die notwendigen politischen Entscheidungen getroffen werden." Nur: Besagte zwei bis drei Wochen sind rum, getagt aber hat die Arbeitsgruppe noch nicht. Aus Koalitionskreisen hört man, dass selbst die Besetzung - jede der drei Parteien benennt Vertreter - offenbar noch nicht vollständig klar ist. Zumindest die CDU teilte am Donnerstagabend noch mit, dass ihre Delegation von Fraktionsvize Hermann Gröhe geleitet werden soll. Ihm zur Seite stünden Gesundheitsminister Jens Spahn und der Landeschef der CDU Thüringen, Mike Mohring. Dort wird Ende Oktober gewählt. Mohring drängt schon länger auf eine Einigung bei der Grundrente. Zu hören ist zudem, dass Finanzminister Olaf Scholz dabei sein soll. Sozialminister Heil und Kanzleramtschef Braun dürften ohnehin mitmischen, schließlich verhandeln sie die "Kompromisslinien" und "Korridore" miteinander, über die die Arbeitsgruppe befinden soll.

Dabei zeichnet sich schon ab, wo die Kompromisslinien verlaufen könnten. Heil spricht stets davon, dass er über eine größere "Zielgenauigkeit" seines Modells mit sich reden lasse - also darüber, dass die Grundrente vor allem denen hilft, die auf sie angewiesen sind. Aufseiten der Union gibt es Bereitschaft zu einer abgespeckten Bedürftigkeitsprüfung. "Auf eine Vermögensprüfung", sagte der Vorsitzende der CDU-Arbeitnehmer, Karl-Josef Laumann, der FAZ, "kann man sicherlich verzichten."

© SZ vom 13.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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