Klimaschutz in China:Neue Fenster gegen dicke Luft

Lesezeit: 4 min

Deutsche Expertise im chinesischen Plattenbau: Wie der Entwicklungshelfer Xu Zhiyong Anwohner bei der Wohnungssanierung und Behörden beim Klimaschutz berät.

Varinia Bernau

Sie sind winzig, 200 Mal kleiner noch als ein Punkt in der Tageszeitung. Dennoch haben sie für riesigen Wirbel gesorgt: Die Staub- und Schmutzpartikel im Himmel über Peking. Kurz vor den Olympischen Spielen tauchten Bilder von der Smogglocke über der Stadt auf - und die chinesischen Behörden sahen sich gezwungen zu handeln: Für die Dauer der Spiele haben sie knapp ein Drittel der 3,3 Millionen Autos der Stadt von den Straßen verbannt. Mehr als hundert Fabriken und Baustellen wurden im Kampf gegen die dicke Luft zumindest für den Zeitraum der Spiele geschlossen.

Smogglocke über Peking, am fünften Tag der Olympischen Spiele (Foto: Foto: AFP)

Doch die Aerosole, die mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern durch die Luft schweben, machen nicht nur den Olympioniken das Leben schwer. Die Feinstaubbelastung in Peking, warnte Greenpeace kürzlich, wird auch weiterhin deutlich über dem Wert liegen, den die Weltgesundheitsorganisation für bedenklich hält. Sie werde, so die Umweltschützer, eine der größten Herausforderungen für die chinesischen Behörden bleiben. Die Volksrepublik ist zudem weltweit der zweitgrößte Emittent von klimaschädigenden Gasen.

5 Millionen Euro aus dem Topf deutscher Entwicklungshilfe

Ein Mann, der sich für gute Luft einsetzt, ist Xu Zhiyong. Bei seinem Kampf fürs Klima, sagt er, stehe er erst am Anfang. "Das wird lange dauern - und es wird teuer." Seit zweieinhalb Jahren leitet Xu eine dreiköpfige Projektgruppe der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), die im Auftrag der Bundesregierung die Chinesen bei Gebäudesanierungen berät. Kerngedanke der deutschen Entwicklungshilfe: Klimaschutz durch Wärmeschutz.

Fünf Millionen Euro aus dem Topf des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fließen in das Projekt - für Beratungen und Begleitstudien, Ausstellungen und Konferenzen, um Sanierungsverfahren speziell für China zu entwickeln und zu erproben.

Laut Ministerium gibt es in China 16 Milliarden Quadratmeter Wohnraum - eine Fläche so groß wie Thüringen. Jährlich kommen 1,8 bis zwei Milliarden Quadratmeter dazu. Mit einem Anteil von 23 Prozent an den nationalen Treibhaus-Emissionen trage der Gebäudesektor, so heißt es in einem Papier des Ministeriums, beträchtlich zur Klimaerwärmung bei. Andere Experten schätzen den Anteil sogar auf 30 Prozent.

Wer Gebäude also gut isoliert, so die Rechnung von Xu Zhiyong und seinen Kollegen, der muss weniger heizen - und pustet damit auch weniger Schadstoffe in die Luft. Die Chinesen heizen vor allem mit Kohle, durch die Sanierung ihrer Wohnung könnten sie den Kohleverbrauch halbieren, so Xu. Eine Einschätzung, die Fachleute teilen: Da die Ausgangslage bei den Gebäuden in China schlecht sei, lasse sich der Energieverbrauch durch Wärmeschutzmaßnahmen wie Dämmung oder dem Einbau von hochwertigen Isolierglasfenstern nebst Rollläden deutlich drosseln.

Drei Wohngebäude in der Küstenstadt Tangshan, etwa 200 Kilometer östlich von Peking, wurden im Rahmen des seit zweieinhalb Jahren laufenden Projekts bereits modernisiert. Die Stadt wurde 1976 von einem Erdbeben fast vollständig zerstört. Anschließend, erzählt Xu, seien dort einfache, ungedämmte Plattenbauten hochgezogen worden. Acht bis neun Grad Celsius, wärmer seien die dortigen Wohnungen im Winter nicht zu bekommen. Mit der Sanierung habe man die Raumtemperatur auf 22 Grad erhöhen können - und gleichzeitig den Energieverbrauch gesenkt.

In vier anderen Städten sind ähnliche Sanierungen angelaufen - Xu weiß um die Strahlkraft eines Pilotprojekts: Mit seinen Kollegen ist er von Wohnung zu Wohnung gegangen, hat mit den Bewohnern gesprochen, ihnen von dem Komfort und den niedrigen Energiekosten berichtet. "Aber die Menschen glauben nicht, was nur auf einem Papier steht. In den Modellwohnungen können sie die neuen Fenster anfassen - und die Bewohner nach Erfahrungen befragen."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie viel Tonnen weniger Kohlenstoffdioxid in der Luft landen könnten, wenn die Sanierung im große Stile betrieben wird - und warum sich auch Widerstand gegen das Projekt regt.

Etwa 95 Prozent der Wohnungen in China seien Eigentumswohnungen, erzählt Xu. Und wenn sich einer der Eigentümer in der vergangenen Zeit für eine Sanierung entschlossen hatte, so tauschte er alte dünne Schiebefenster gegen neue dünne Schiebefenster, auch weil Isolierglasfenster zunächst teurer sind.

Nachbarn beäugen neugierig, wie die Sanierung voranschreitet: Vor allem sozial Schwächere wohnen in den Siedlungen, in denen das Entwicklungsprojekt gestartet ist. (Foto: Foto: oh)

In den zur Sanierung stehenden Siedlungen wohnen vor allem sozial Schwächere. "Die, die das Geld haben, sind längst in modernere Wohnungen gezogen", sagt Xu. Dennoch habe er mit seinem Team von Anfang an Wert darauf gelegt, die Bewohner an der Sanierung auch finanziell zu beteiligen. "Anders wären die Kosten nicht zu stemmen." Die GTZ stellt die deutsche Expertise. "Es gibt in der Welt kein anderes Land, das so reiche Erfahrungen in der Thematik hat: Wir setzen auf die Erfahrungen aus der Plattenbausanierung in der DDR", erzählt Xu.

Die Bauteile - und damit das Gros der Sanierungskosten - zahlt die chinesische Seite: Die Städte und das zentrale Finanzministerium geben Zuschüsse. Doch fünf bis 30 Prozent der Kosten, schätzt Xu, bleiben bei den Bewohnern - je nach Dauer der Heizperiode, die in den verschiedenen Gegenden zwischen vier und sechs Monaten schwankt. Viele Bewohner, erzählt Xu, seien bereit, mehr zu zahlen - wenn damit der Komfort steigt. Manche haben einen Brief an den Oberbürgermeister geschrieben - und ihn gebeten, der Sanierung weiterer Wohnungen zuzustimmen.

Bei Gebäuden sei das Einsparpotenzial für Energie sehr hoch, sagt Stefan Lechtenböhmer vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Deshalb seien Initiativen wie die in China sehr sinnvoll - selbst wenn dabei zunächst nur kleine Schritte gemacht werden.

Lechtenböhmer schätzt, dass sich weltweit bis zum Jahr 2050 die Gebäudefläche verdoppelt. "Im Westen kommt nicht mehr viel dazu, während in Schwellenländern wie China die Häuser wie Pilze aus dem Boden schießen." Das zeige, wo man Prioritäten setzen müsse - und dass es auch bei den Neubauten in China wichtig ist, auf guten Wärmeschutz zu achten.

Deutsche Fördergelder in Schwellenländern?

Vor allem in den Reihen von Union und FDP hatte sich immer wieder Widerstand dagegen geregt, dass deutsche Entwicklungshilfe in eine aufstrebende Wirtschaftsmacht wie China fließt - zuletzt war Deutschland nach Japan der zweitgrößte Geldgeber. Kritiker haben zwar die Wichtigkeit speziell von Umweltprojekten durchaus anerkannt und auch, wie der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, "die Förderung des Exports modernster deutscher Umwelttechnologie sowie die Sicherung der Vorsprünge deutscher Unternehmen" gelobt. Dennoch galt ihnen die Förderung aus dem Topf der Entwicklungshilfe als Etikettenschwindel - und sie argumentierten, gerade ein Schwellenland wie China habe erhebliche Devisenreserven angesammelt, mit denen es Fachleute aus Deutschland für Programme anheuern könnte, wenn ihm dies wirklich wichtig wäre.

Die Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) verteidigt die Projekte vor allem mit dem Verweis darauf, dass globaler Klimaschutz ohne China nicht möglich sei: "Dieses Engagement ist im Interesse des Klima- und des globalen Umweltschutzes und insbesondere auch im Eigeninteresse Deutschlands. Auf diese Kooperation zu verzichten, wäre kurzsichtig und falsch."

Xu Zhiyong hofft, in fünfzehn weiteren Städten Modellsanierungen starten zu können - ehe die Finanzierung für sein Projekt in zweieinhalb Jahren ausläuft. Er habe bereits eine Grobkalkulation für Nordchina angelegt: Bei etwa einem Drittel der dortigen Wohngebäude sei eine Sanierung notwendig und auch sinnvoll. Das entspreche einer Wohnfläche von 2,5 Milliarden Quadratmetern. Wenn man die gut saniere, könne man den jährlichen Ausstoß von Kohlendioxid um 50 Millionen Tonnen reduzieren.

© sueddeutsche.de/jja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: