Kita-Studie:Mangelverwaltung

Lesezeit: 2 min

In Krippen und Kindergärten fehlen mehr als 106 000 Fachkräfte - eine kindgerechte Betreuung ist so kaum möglich. Experten fordern bessere Bedingungen fürs Personal.

Von Edeltraud Rattenhuber, München

Wie gut Krippen- und Kindergartenkinder betreut werden, hängt in Deutschland immer noch zu stark vom Wohnort ab. Das beklagt die Bertelsmann Stiftung in ihrem Ländermonitoring "Frühkindliche Bildungssysteme 2019". Denn die Personalausstattung vieler Kitas, vor allem in den östlichen Bundesländern, entspricht nach wie vor bei Weitem nicht den Standards, die Experten für eine gute frühkindliche Betreuung fordern. Schuld ist der Personalmangel, aber auch die fehlende Bereitschaft mancher Bundesländer, die "Gute-Kita"-Milliarden vom Bund in die Betreuungsqualität zu investieren. Das belaste auch das Personal und erschwere es, mehr Menschen für den Beruf zu begeistern, heißt es in der Studie.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte in einer Reaktion auf die Studie vor einem Betreuungsnotstand, sollten nicht zügig die Weichen für bessere Rahmenbedingungen im Erzieherberuf gestellt werden. Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, um die Qualität der Kitas zu verbessern. Der Deutsche Städtetag dagegen betonte, die Zahlen belegten, dass in den vergangenen Jahren viel verbessert wurde. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sieht Deutschland mit dem "Gute-Kita-Gesetz" auf einem guten Weg. Insgesamt fehlen derzeit nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung mehr als 106 000 Erzieher.

Kommt da noch jemand? Laut Studie ist vor allem in Sachsen und Nordrhein-Westfalen das Personal in den Kindergärten knapp. (Foto: Jens Wolf/dpa)

Der Personalmangel hängt stark mit der geringen Bezahlung zusammen, sagt Kathrin Bock-Famulla, die bei Bertelsmann den Bereich frühkindliche Bildung leitet. Das Fachpersonal verdiene vergleichsweise wenig. Zudem müssten viele Nachwuchskräfte die Ausbildung weiter bezahlen, andere dagegen bekämen Geld in berufsbegleitenden Modellen - auch um Quereinsteiger zu gewinnen. Diese Ungleichbehandlung sei "eine große Hürde bei der Findung von zukünftigem Nachwuchs", sagt Bock-Famulla.

Wenn jemand ausfällt, ist eine Erzieherin plötzlich für 20 Kinder zuständig

Doch will die Stiftung nicht alles schlechtreden. Von 2008 bis 2018 sei die Zahl des Personals um 54 Prozent angestiegen , von ungefähr 380 000 auf 582 000 Fachkräfte. Diese "enorme Aufstockung" sei ein "großer Erfolg". Auch sei die Personalsituation in den Kitas seit 2013, als der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz eingeführt wurde, verbessert worden. Allerdings sehen die Forscher weiter "unterschiedliche Entwicklungsdynamiken". So hat sich in Bremen und Thüringen die Personalausstattung in Krippen und Kindergärten sogar verschlechtert oder sie stagniert. Gelobt wird Mecklenburg-Vorpommern, wo bei den Personalschlüsseln "der größte Qualitätssprung für die älteren Kinder" gelungen sei. Doch immer noch ist der Personalschlüssel hier sehr schlecht, auf eine Fachkraft im Kindergarten kommen dort 13,2 Kinder. Baden-Württemberg dagegen konnte seine günstigen Bedingungen sogar weiter ausbauen und unterbietet im Kindergartenbereich die Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung. Diese fordert für eine kindgerechte Betreuung, dass in der Krippe maximal drei Kinder von einer Fachkraft betreut werden, und in Kindergartengruppen 7,5 Kinder. Solche Quoten erreichen nur wenige Kitas. Zum Stichtag 1. März 2018 wurden im Durchschnitt in Krippengruppen 4,2 Kinder von einer Erzieherin betreut, im Kindergarten 8,9.

Doch das ist der rechnerische Idealfall. In Ländern mit ungünstigen Personalschlüsseln kann es bei Krankheit einer Fachkraft für die Kinder sehr stressig werden. In Mecklenburg-Vorpommern - das 100 Prozent des "Gute-Kita-Geldes" in Gebührenentlastung und nicht in den Personalaufbau investiert - muss dann eine Mitarbeiterin 20 Kindergartenkinder betreuen. Zudem wenden Erzieher mittlerweile etwa ein Drittel ihrer Arbeitszeit für nichtpädagogische Aufgaben auf.

Der Personalmangel hat aber nicht nur Auswirkungen auf die Qualität der Kinderbetreuung, sondern auch auf die Psyche der Kitakräfte. "Die körperlichen und psychischen Belastungen nehmen zu", sagt Bock-Famulla. Hier müsse man präventiv arbeiten durch bessere Personalplanung, oder Strategien zum Stressabbau vermitteln. Insgesamt sieht die Expertin den Bereich Kita aufgrund des Personalmangels in einer schwierigen Lage. Bis 2025 plant die große Koalition ein Recht auf einen Ganztagsbetreuungsplatz für Schüler. Woher hierfür das Personal kommen soll, ist nicht klar.

© SZ vom 27.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: