Kita-Ausbau:Es reicht nicht

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Lieber eine gute Kinderbetreuung als eine kostenlose, so sehen das viele genervte Eltern. Dabei ist dieser Gegensatz absurd: Ein so reiches Land wie Deuschland sollte sich beides leisten können.

Von Henrike Roßbach

Treffen Menschen in einer beliebigen deutschen Stadt aufeinander, die sich kaum kennen, gibt es zwei Erzählungen, die sie einander schnell näherbringen. Die eine handelt vom Wohnungsmarkt, die andere von der Kitakrise. Jeder, der Kinder hat, kann dazu etwas beitragen. Die Zahl der Bewerbungen für einen Kita-Platz, zum Beispiel, oder wie weit hinten man steht auf den Wartelisten. Auch wer das hinter sich hat, kann mitreden: über die Personalfluktuation und den wegen Personalmangels ausgefallenen Waldausflug, die Aushilfen, die statt ausgebildeter Erzieherinnen sich irgendwie um die Kinder kümmern.

Es hat sich viel getan, seit das Elterngeld eingeführt und der Krippenausbau vorangetrieben wurden. Dennoch lautet die ernüchternde Diagnose: Es reicht nicht. Der Städtetag konstatiert, was Eltern schon lange wissen, dass die Nachfrage schneller wächst, als das Angebot hinterherkommt. Gleichzeitig wird zunehmend über die Qualität gesprochen. Für wie viele Kinder ist eine Erzieherin zuständig? Was kommt mittags auf den Tisch? Welche Ausbildung haben diejenigen, die kleinste Kinder mehrere Stunden täglich betreuen? Die Bundesregierung verspricht mehr Qualität, mehr Plätze - und früher oder später keine Gebühren für die Eltern. Das alles aber wird keinesfalls für jene 3,5 Milliarden Euro zu haben sein, die Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt haben.

Zwischen den Bundesländern liegen Welten, was die Ausstattung der Kitas, den Betreuungsschlüssel und die finanzielle Belastung der Eltern angeht. Länder wie Berlin und Rheinland-Pfalz sind auf dem Weg zur beitragsfreien Kita, anderswo zahlen so gut wie alle Eltern, selbst die mit sehr kleinen Einkommen. Gleichzeitig ist die Betreuungsqualität etwa in Baden-Württemberg deutlich besser als in Mecklenburg-Vorpommern oder Berlin. Warum allerdings unter einer guten Kleinkind- oder Vorschulkindbetreuung je nach Himmelsrichtung etwas anderes verstanden werden darf, ist nicht sonderlich einleuchtend, sondern streng genommen eine Frechheit.

Während die Regierung weiter unverdrossen so tut, als wären Kostenfreiheit, Qualitätsoffensive und Betreuungsausbau für 3,5 Milliarden Euro (bis 2021, wohlgemerkt!) zu haben, setzen jene, die besser rechnen können, inzwischen auf "Qualität vor Kostenfreiheit" - unter anderem deshalb, weil sich etwa im bald kitakostenfreien Berlin wunderbar besichtigen lässt, wie 3000 Eltern gegen den Kitanotstand und den unterirdischen Personalschlüssel demonstrieren.

Kostenlose Betreuung oder gute? Das Entweder-Oder wirkt grotesk in einem reichen Land

In der Tat ist eine gute Betreuung wichtiger als eine kostenlose. Wenn es also bei nur 3,5 Milliarden bleibt, sollten diese in eine bessere Ausstattung des Kitas fließen. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, warum es in einem reichen Land wie Deutschland überhaupt zu einer solchen Entweder-oder-Diskussion kommen muss. In Bildung zu investieren, ist für ein alterndes Land ohne nennenswerte Rohstoffe die einzige Überlebensversicherung. Zu Recht stellt deshalb kaum jemand die kostenlosen Universitäten hierzulande infrage. Doch Ökonomen attestieren gerade der frühkindlichen Bildung gesamtgesellschaftlich gesehen den größten positiven Einfluss. Dass die schmalen finanziellen Mittel der Koalition für die Kindertagesstätten nur die Option kostenlos oder gut übrig lassen, wirkt vor diesem Hintergrund einigermaßen grotesk.

© SZ vom 29.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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