Kinder:Vater Staat

Das Kind aus seiner Familie nehmen? Das darf nur äußerstes Mittel sein.

Von Kim Björn Becker

Auf den ersten Blick klingen die Zahlen dramatisch: Die deutschen Jugendämter haben im vergangenen Jahr annähernd 85 000 Kinder in staatliche Obhut genommen, fast zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Schnell drängt sich der Eindruck auf, dass die Behörden hierzulande reihenweise in Häuser und Wohnungen marschieren, um überforderten Eltern den verwahrlosten Nachwuchs zu entreißen.

Ganz so schlimm, wie es die nackten Zahlen nahelegen, ist es aber nicht um die Familien im Land bestellt. Denn hinter der Statistik offenbart sich eine Folge des Flüchtlingszuzugs der vergangenen Jahre. In jedem zweiten Fall nahm sich der Staat unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge an. Dass die Behörden den Schwächsten Schutz gewähren und sie nicht ihrem Schicksal in einer Unterkunft überlassen, ist gut und richtig so.

Allerdings ist auch die Zahl der Inobhutnahmen gestiegen, die nicht im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise stehen. Dass der Staat den Eltern das eigene Kind wegnimmt, darf immer nur äußerstes Mittel sein. Wenn die Behörden verstärkt tätig werden, kann das nur zweierlei bedeuten. Entweder werden die Ämter immer vorsichtiger und greifen bei familiären Krisen früher ein, um einen möglichen Skandal zu verhindern. Oder es kommen tatsächlich immer weniger Eltern mit der Erziehung klar. Dies rasch zu klären, ist jetzt die Aufgabe der Politik.

© SZ vom 24.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: