Kinder:Zerstörte Seelen

Der Bundespräsident sollte das Asylpaket II stoppen.

Von Ulrike Heidenreich

Um es zynisch auszudrücken: Das Timing des Kinderschutzbundes ist perfekt. Sein Appell an Bundespräsident Gauck, das Asylpaket II mitsamt der Einschränkung des Familiennachzugs zu blockieren, kam exakt am Tag, als Bilder zu sehen waren von Kindern, die am mazedonischen Grenzzaun verletzt wurden. Kinder, die vor Reizgas flüchten mussten. Das sind furchtbare Bilder. Und es sind traumatische Erlebnisse, die Betroffene nur schwer verarbeiten können. Eine Kinderseele umso schwerer, zumal wenn sie ganz auf sich allein gestellt ist.

Eine gewaltsame Trennung von den Eltern führt zu gravierenden Bindungs- und Beziehungsstörungen - so mahnt der Kinderschutzbund-Präsident. Erschreckende Befunde aus Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es ja schon: Deutsche Jugendmediziner warnen, dass mehr als ein Drittel allein der syrischen Flüchtlingskinder massiv körperlich und psychisch krank sind. Fehlen die Bezugspersonen, steigt das Risiko dieser Kinder, chronisch zu leiden. Und nun? Nun dürfen die Eltern nicht nachkommen, die vielleicht lindern und heilen könnten. Stattdessen sollen professionelle Therapeuten ran - die wiederum fehlen.

Das macht alles wenig Sinn, da passt nichts zusammen. Den Bundespräsidenten anzurufen ist ein starkes Signal. Es wird wohl wenig bringen, leider. Aber man schaut ein wenig länger hin, zu den Kindern an Europas Grenzzäunen.

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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