Kaukasus:Steinmeier widerspricht Schröder

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Gerhard Schröder gibt Georgien die Schuld an der Eskalation im Kaukasus-Konflikt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sieht das ganz anders.

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich in die Diskussion um den Kaukasuskonflikt eingeschaltet: Er bezeichnete den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili als "Hasardeur". "Auslösendes Moment" der Kampfhandlungen im Kaukasus sei der Einmarsch der Georgier nach Südossetien gewesen, sagte Schröder dem Nachrichtenmagazin Spiegel.

Kritisiert den georgischen Präsidenten Saakaschwili: Altkanzler Gerhard Schröder (Foto: Foto: dpa)

Er warnte davor, Georgien schnell in die Nato aufzunehmen. Die Chancen für einen Nato-Beitritt seien durch die jüngsten Ereignisse "in noch weitere Ferne" gerückt, sagte Schröder. Auch die Außenpolitik-Experten der Bundestagsfraktionen von Union, SPD und FDP sprachen sich gegen einen schnellen Beitritt aus.

Schröder begrüßte eine Friedensmission der OSZE in Südossetien und Abchasien auch mit deutscher Beteiligung. Sollte es aber zu einer Mission keine ausdrückliche russische Zustimmung geben, "möchte ich keine deutschen Soldaten dort stationiert sehen", sagte Schröder. Er zeigte sich überzeugt davon, dass Russland im Kaukasus keine Annektierungspolitik verfolge. Der Altkanzler ist momentan als Aufsichtsratschef für die vor allem von Gazprom finanzierte Ostsee-Pipeline Northstream tätig.

Er sehe auch nicht, dass man das Konzept der "strategischen Partnerschaft" zwischen Berlin und Moskau wegen der jüngsten Ereignisse aufkündigen müsse, sagte Schröder. "Ich halte überhaupt nichts von einer Dämonisierung Russlands. Ich begreife Russland als Teil Europas."

Außenminister Frank Walter Steinmeier distanzierte sich unterdessen deutlich von seinem früheren Chef. Die "territitoriale Integrität" bleibe Grundlage der deutschen Politik, sagte er der Welt am Sonntag. In der EU stehe "das Festhalten an der territorialen Integrität Georgiens für niemanden zur Debatte", sagte er. Die russische Seite habe mit dem Bombardement des georgischen Kerngebiets eine Grenze überschritten.

Saakaschwili lobt Merkel

Der von Schröder gescholtene Saakaschwili drückte seinerseits seine Bewunderung für Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen ihrer Haltung gegenüber Moskau im Kaukasus-Konflikt aus. Er sagte dem Focus: "Ich bin beeindruckt von ihrer Haltung, sie hat augenblicklich begriffen, was Sache ist." Saakaschwili bezog sich dem Bericht zufolge besonders auf eine Unterredung mit der Bundeskanzlerin. Dies sei "besser als alle anderen Gespräche mit europäischen Führern gewesen."

Der georgische Präsident warf den russischen Streitkräften in Georgien Plünderungen vor. Zudem attackierten Moskaus Streitkräfte absichtlich Journalisten. "Nie zuvor hat es in so einem kurzen Konflikt so viele Opfer bei der Presse gegeben," sagte er.

Ministerpräsident Lado Gurgenidse warf den russischen Soldaten vor, eine wichtige Eisenbahnbrücke gesprengt zu haben. Damit sei die Hauptzugverbindung zwischen dem Osten und dem Westen des Landes unterbrochen. Mitarbeiter von Reuters TV bestätigten, dass die Brücke in Kapsi 45 Kilometer westlich der Hauptstadt Tiflis zerstört wurde. Anwohnern zufolge hatten Russen in Uniform einen Sprengsatz an der Brücke gelegt und ihn ferngezündet. Der russische Generalstab dementierte allerdings, dass russische Soldaten die Brücke gesprengt hätten.

Heftige Kritik aus London

Derweil drohte Großbritanniens Außenminister David Miliband, Russland für sein militärisches Vorgehen in Georgien zu bestrafen. "Russland muss anerkennen, dass Rechte im internationalen System mit Verpflichtungen verbunden sind. Und wenn Verpflichtungen nicht eingehalten werden, hat das politische Konsequenzen", sagte Miliband der Bild am Sonntag. Die Europäische Union werde "darüber nachdenken müssen, wie sie mit dem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russland weiter verfahren will".

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), rief die EU in der Georgien-Krise zu Geschlossenheit auf. "Die EU muss gemeinsam, mit Festigkeit und mit gleichzeitiger Dialogbereitschaft gegenüber Russland handeln", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Pöttering warnte zugleich davor, Russland isolieren zu wollen: "Ein Mitglied des UN-Sicherheitsrats kann man nicht isolieren." Den Militäreinsatz Georgiens in Südossetien bezeichnete der Europa-Politiker als einen schweren Fehler. "Aber noch schwerer wiegt der Einmarsch russischer Truppen in das Kernland Georgiens. Es ist eine schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts, eine Aggression gegen einen unabhängigen Staat", sagte Pöttering.

© dpa/AFP/Reurers/mati - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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