Kaukasus-Krieg:Georgien meldet Waffenstillstand

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Der georgische Präsident Saakaschwili hat nach eigenen Angaben eine Waffenstillstandsvereinbarung unterschrieben. Zuvor setzte Russland Georgien auch in der zweiten abtrünnigen Provinz Abchasien unter massiven Druck - durch Aufstockung der Truppen und ein Ultimatum.

Der georgische Präsident Michail Saakaschwili hat nach eigenen Angaben in Anwesenheit der Außenminister Frankreichs und Finnlands eine Waffenstillstandsvereinbarung unterschrieben. Bernard Kouchner und Alexander Stubb halten sich in Tiflis auf, um in dem Konflikt zwischen Georgien und Russland über die abtrünnigen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien zu vermitteln.

Russland stockt seine Truppen in Abchasien auf. (Foto: Foto: AP)

Die russischen Streitkräfte erklärten derweil, Moskau hege keinerlei Absicht, mit seinen Truppen nach Georgien vorzurücken. Die russischen Truppen in den Regionen Südossetien und Abchasien blieben zum Schutz der dortigen russischen Bevölkerung jedoch in Stellung.

"Es geht ihnen um die Kontrolle der Energierouten"

Saakaschwili hatte Russland zuvor vorgeworfen, mit dem Krieg um Südossetien seine Regierung stürzen und die Kontrolle über die durch den Kaukasus führenden Energieverbindungen gewinnen zu wollen. "Sie wollen die Regierung in Tiflis absetzen", sagte Saakaschwili am Montagvormittag in einer Telefonkonferenz. "Es geht ihnen nicht um Südossetien, es geht ihnen um die Kontrolle der Energierouten." 90 Prozent der Opfer des Krieges um die abtrünnige georgische Region seien Zivilisten, sagte der Präsident weiter.

Kurz zuvor hatte Russlands Präsident Medwedjew verkündet, der russische Militäreinsatz in Südossetien stehe kurz vor dem Abschluss. "Ein wesentlicher Teil des Einsatzes mit dem Ziel, die georgische Regierung zu einem Friedensschluss in Südossetien zu zwingen, ist abgeschlossen", erklärte Medwedjew laut Nachrichtenagentur Interfax.

Die südossetische Hauptstadt Zchinwali sei "unter der Kontrolle des verstärkten Kontingents der russischen Friedenstruppe", sagte der Präsident nach Beratungen mit dem Generalstab sowie Ministerpräsident Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergej Lawrow im Hauptquartier der Armee.

Am Morgen waren nördlich der Grenze der umkämpften georgischen Provinz große Truppenbewegungen der russischen Armee zu beobachten. Tausende Soldaten sowie Dutzende Panzer und Raketenwerfer bewegten sich auf den Bergstraßen bei Buron in Richtung Südossetien.

Georgien geriet derweil auch an einer zweiten Front unter Druck: in der ebenfalls abtrünnigen Region Abchasien. Die Führung der von Russland unterstützten Separatistenrepublik Abchasien teilte am Morgen in der Hauptstadt Suchumi mit, dass die georgischen Truppen im oberen Kodori-Tal komplett umzingelt seien. Das meldete die russische Agentur Interfax.

Russische Truppenverstärkung in Abchasien

Russland forderte von Georgien die Niederlegung der Waffen in einer Sicherheitszone im Grenzgebiet zu Abchasien. Die Regierung in Tiflis wies die Forderung umgehend zurück. "Wir werden den Russen keine einzige Waffe übergeben", erklärte ein Sprecher des georgischen Innenministeriums.

Der Kommandeur der russischen Friedenstruppen in der Region, Sergej Tschaban, kündigte daraufhin laut Nachrichtenagentur Interfax an, dass nun alle nötigen Maßnahmen zur Durchsetzung der Aufforderung ergriffen würden. Kurz zuvor soll Russland seine Truppen in Abchasien verstärkt haben.

Es seien dort nun mehr als 9000 Fallschirmjäger und 350 Panzer stationiert, zitierte Interfax einen russischen Militärvertreter. Damit solle verhindert werden, dass russische Friedenstruppen in eine ähnliche Situation wie in der südossetischen Hauptstadt Zchinwali gerieten.

Auch die abchasischen Machthaber stellten den georgischen Soldaten und Zivilisten am Morgen ein Ultimatum. Wenn sie nicht unverzüglich das obere Kodori-Tal durch einen Korridor verließen, werde angegriffen. Das Tal liegt an der Grenze zu Russland.

Georgien nimmt fast alle EU-Vorschläge an

Auch im südlichen Grenzabschnitt zwischen Abchasen und Georgiern spitzte sich die Lage zu. Die Regierung in Tiflis sprach von russischen Bombardements auf georgische Militärstellungen im Landkreis Sugdidi.

Abchasien hatte Unterstützung für Südossetien angekündigt und am Sonntag das Kriegsrecht verhängt. Die moskautreuen Machthaber in der international nicht anerkannten Republik am Schwarzen Meer riefen die Mobilmachung ihrer Truppen aus.

Der EU-Ratsvorsitz teilte am Vormittag mit, dass Georgien "nahezu alle Vorschläge" annimmt, die die Europäische Union zur Beendigung des Konfliktes mit Russland gemacht hat. "Es muss wieder Frieden einkehren, damit die ganze Zivilbevölkerung geschützt ist", sagte der französische Außenminister Bernard Kouchner am Montagmorgen bei seinem Besuch in der georgischen Hauptstadt Tiflis dem Radiosender RTL.

Vor diesem Hintergrund habe Georgiens Staatschef Michail Saakaschwili "fast alle Vorschläge angenommen, die wir ihm gemacht haben". Weil die Vereinigten Staaten "auf gewisse Weise Teil des Konflikts" seien, müsse sich vor allem die EU darum bemühen, dass der Konflikt zwischen Russland und Georgien beendet werde, sagte Kouchner.

Vier-Punkte-Plan der EU

Die EU-Ratspräsidentschaft schlägt einen Vier-Punkte-Plan zur Entschärfung des Konflikts vor: Der Plan sieht zunächst eine Feuerpause aller Konfliktparteien vor. In der nächsten Stufe sollten alle Verwundeten versorgt werden. "Die dritte Stufe für eine Deeskalierung wäre der Rückzug der Truppen auf beiden Seiten, aber ein Rückzug, der von Beobachtern begleitet wäre", sagte Kouchner. Dann solle als vierte Stufe die Rückkehr zu politischen Verhandlungen folgen.

Laut Kouchner reist am Dienstag vermutlich auch der französische Staatschef Nicolas Sarkozy nach Moskau, eine Bestätigung werde im Laufe des Tages erwartet. Sarkozy wolle versuchen, ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Russland und Georgien abzuschließen. Am Mittwoch wollte Kouchner seine europäischen Kollegen bei einer Sondersitzung in Brüssel über das Ergebnis seiner Mission unterrichten.

Ebenfalls am Dienst wird die georgische Außenministerin Jekaterina Tkeschelaschwili mit Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer zusammentreffen. Ein Sprecher der Militärallianz sagte, sie werde an einem Treffen hochrangiger Nato-Vertreter in Brüssel teilnehmen. Als einer der ersten Vertreter der internationalen Gemeinschaft hatte De Hoop Scheffer Georgien und Russland am Freitag zu einem Ende der Gewalt gedrängt und direkte Gespräche gefordert.

© AFP/AP/dpa/Reuters/gal/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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