Kaukasus-Konflikt:Westen entsetzt über Russlands Alleingang

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Der Westen hat die Anerkennung von Südossetien und Abchasien durch den russischen Präsidenten Medwedjew scharf kritisiert. Nicht nur Kanzlerin Merkel, auch Außenminister Steinmeier fand im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung klare Worte.

Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew hat die Unabhängigkeit der georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien anerkannt und damit weltweit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die USA und viele Staaten des Westens verurteilten die Entscheidung als Bruch des Völkerrechts.

Dmitrij Medwedjew und Angela Merkel im Juni in Berlin (Foto: Foto: ddp)

Die Nato stellte Russlands Interesse an Frieden im Kaukasus in Frage. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warfen dem Kremlchef vor, er verschärfe den Georgien-Konflikt.

Nur einen Tag nach den unverbindlichen Parlamentsbeschlüssen erkannte Medwedjew die Unabhängigkeit der beiden kleinen georgischen Provinzen auf einer Sitzung des Sicherheitsrates in Sotschi an und sicherte ihnen später auch militärischen Beistand zu. Besonders scharf reagierte darauf die Nato. Das Handeln Russlands stelle dessen "Engagement für Frieden und Sicherheit im Kaukasus in Frage", sagte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Die Anerkennung Abchasiens und Südossetiens sei eine klare Verletzung von UN-Resolutionen. US-Präsident George W. Bush nannte die Entscheidung unverantwortlich. "Wir erwarten, dass Russland seine internationalen Verpflichtungen erfüllt, diese verantwortungslose Entscheidung überdenkt und sich an den Sechs-Punkte-Plan hält", sagte er.

US-Außenministerin Condoleezza Rice nannte den russischen Schritt "bedauerlich". Frankreich erklärte im Namen der EU-Ratspräsidentschaft, die Anerkennung werde "scharf verurteilt".

Ähnlich äußerte sich die Bundeskanzlerin. "Das widerspricht der territorialen Integrität, einem grundlegenden Prinzip des Völkerrechts und ist absolut nicht akzeptabel", sagte Merkel bei ihrem Besuch in Estland. Eindringlich warnte sie Russland vor den Folgen.

"Die Krise in Georgien hat nicht nur die Region, sondern auch die Weltpolitik verändert", sagte sie in der Rede, bei der auch Russlands Botschafter zugegen war. "Ein einfaches 'Weiter so' in der Tagesordnung kann es nicht geben", betonte Merkel. Sie werde vor dem EU-Sondergipfel das direkte Gespräch mit Russlands Führung suchen.

Außenminister Steinmeier wurde auf dem Rückweg von Gesprächen mit seinem britischen Kollegen David Miliband von der Nachricht aus Moskau überrascht. "Dieser Schritt berührt die territoriale Unversehrtheit eines souveränen Nachbarstaates. Das ist für uns nicht akzeptabel", sagte er der Süddeutschen Zeitung und fügte hinzu: "Die Lösung der Konflikte in Abchasien und Südossetien wird dadurch noch schwieriger." Steinmeier sprach von "einer der größten Krisen seit Ende des Kalten Krieges".

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung will das Bundeskabinett an diesem Mittwoch beschließen, 15 deutsche Beobachter nach Südossetien zu entsenden, die an einer Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa teilnehmen sollen.

Medwedjew sagte, die Entscheidung sei keine leichte Wahl gewesen, aber die "einzige Möglichkeit, um das Leben der Menschen zu retten". Georgien habe einen "Blitzkrieg" geplant und versucht, Südossetien "um den Preis der Auslöschung eines ganzen Volkes" mit Georgien zu vereinen: "In der Nacht auf den 8. August hat sich Tiflis entschieden."

Georgiens Präsident Michail Saakaschwili habe alle russischen Friedens- und Vermittlungsbemühungen durchkreuzt, sich politischer und militärischer Provokationen schuldig gemacht, russische Friedenstruppen überfallen und sich schließlich für den "Völkermord zur Lösung politischer Aufgaben" entschieden. Das gebe Abchasien und Südossetien das Recht auf Selbstbestimmung. Saakaschwili warf Russland vor, sein Land annektieren zu wollen. Er zog Vergleiche mit Hitler und Stalin.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte telefonisch, er glaube nicht, "dass uns die Isolierung droht", obwohl die G-7-Staaten inzwischen Gespräche ohne Russland führen. Die Welt müsse von den Umständen des Kriegsbeginns erfahren.

© SZ vom 27.08.08/vb/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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