Kaukasus-Konflikt:Kouchner: Russland hat womöglich weitere Ziele

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Der französische Außenminister Bernard Kouchner warnt, dass Moskau weitere Grenzen verschieben und sich auch auf die Ukraine stürzen könnte. Der Ruf nach Vermittlung wird lauter.

In der Europäischen Union wächst die Sorge vor einem Expansionsstreben Russlands - und der an Moskau gerichtete Ton wird schärfer: Die französische EU-Ratspräsidentschaft befürchtet, dass Russland nach Georgien noch in weiteren Fällen die Verschiebung von Grenzen anstreben könnte. Nachdem Moskau die Unabhängigkeit der abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien und Abchasien erklärt habe, könne es "andere Ziele" geben, sagte der französische Außenminister Bernard Kouchner am Mittwoch im Radiosender Europe 1. Er nannte dabei "insbesondere die Krim, die Ukraine und Moldawien".

Der französische Außenminiser Bernard Kouchner: "Ja, es finden Vertreibungen statt." (Foto: Foto: dpa)

"Das ist sehr gefährlich", sagte Kouchner. "Die Konflikte im Kaukasus sind äußerst hart." Dort hätten sich Völker über Jahrhunderte bekämpft. Er hoffe nicht, dass es zu weiteren Konfrontationen komme. "Es muss die politische Lösung vorgezogen werden."

Russlands Präsident Dimitrij Medwedjew hatte am Dienstag erklärt, dass Moskau die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien anerkenne. Damit bewege sich Russland "außerhalb des internationalen Rechts", stellte Kouchner klar. "Wir können Verstöße gegen das gesamte Völkerrecht und die Vereinbarungen zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sowie UN-Resolutionen nicht akzeptieren." Die 27 Staatschefs der EU würden bei ihrem Gipfeltreffen am Montag deshalb "natürlich reagieren", kündigte Kouchner an.

Polens Präsident Kaczynski: "Beispiellose Aggression"

Kouchner warnte auch vor der Gefahr von Vertreibungen durch russische Truppen. Es gebe Hinweise dafür, "dass die Einheiten Osseten wegjagen, die für Georgien waren, und auf gewisse Weise - ja, es finden Vertreibungen statt", sagte Kouchner.

Für Georgien dürfe es "keine Lösung außerhalb des Rechts" geben, betonte auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Laut der Zeitung Le Figaro bietet Sarkozy jedoch, ungeachtet der Spannungen in der Kaukasus-Krise, Russland weiter eine Partnerschaft an. Russland stehe vor einer grundlegenden Wahl. "Die Nato ist für Russland kein Widersacher, sondern ein Partner", werde Sarkozy auf der Konferenz der französischen Botschafter an diesem Mittwoch verkünden, berichtet das regierungsnahe Blatt.

Polens Staatspräsident Lech Kaczynski warf der russischen Führung vor, Völkerrecht zu brechen. Mit der Anerkennung Südossetiens und Abchasiens wolle Moskau nur die Folgen seiner "beispiellosen Aggression" gegen den unabhängigen georgischen Staat sanktionieren, sagte Kaczynski. Polen hat sich in der Vergangenheit immer wieder für eine harte Linie gegen Russland ausgesprochen - und kürzlich mit den USA ein Abkommen unterzeichnet, um von 2011 an zehn Abfangraketen im Norden Polens zu stationieren.

Georgiens Präsident Michail Saakaschwili forderte die EU auf, Konsequenzen zu ziehen. "Russland verändert eigenmächtig und mit Gewalt die Grenzen Europas. Wenn Europa sich das einmal gefallen lässt, wird Russland es in Zukunft wieder versuchen", sagte er der Bild-Zeitung. Er erwarte von dem EU-Gipfel zur Kaukasus-Krise kommende Woche in Brüssel ein "klares Bekenntnis" zu seinem Land, sagte Saakaschwili.

Saakaschwili lobt "harte Worte" von Merkel

Zugleich lobte er Bundeskanzlerin Merkel für ihre entschlossene Haltung gegenüber Moskau. Die deutsche Regierungschefin habe "harte Worte" gefunden - "sie versteht, wie die Russen sind. Sie hat schließlich unter ihnen gelebt. Sie weiß, dass Lügen für sie (die Russen) ein normales Mittel der Kommunikation ist, und dass sie sehr brutal sein können." Saakaschwili warf Russland erneut vor, den Krieg im Kaukasus begonnen und schwere Kriegsverbrechen verübt zu haben.

Die Hoffnungen an den EU-Gipfel steigen angesichs der Tatsache, dass es nach Ansicht westlicher Diplomaten bei den Vereinten Nationen derzeit kaum mehr Chancen auf eine gemeinsame UN-Resolution zur Kaukasus-Krise gibt. "Die russischen Aktionen sind eine massive Blockade auf dem Weg zu einer einheitlichen Position des Sicherheitsrats", sagte der britische UN-Botschafter John Sawers. Sein französischer Kollege Jean-Pierre Lacroix erklärte, es werde jetzt "sehr viel schwieriger", die Diskussion fortzusetzen. Der entscheidende Punkt der territorialen Integrität Georgiens werde durch die neue Lage sehr erschwert.

Am Mittwoch hat im georgischen Hafen Batumi ein Schiff der US-Küstenwache festgemacht, um humanitäre Hilfe anzuliefern. Die Dallas hatte ursprünglich Kurs auf den georgischen Hafen Poti genommen, der noch immer unter russischer Kontrolle steht. In den Außenbezirken von Poti sind russische Truppen postiert, die vor allem im Norden die Straßenverbindung in die abtrünnige Region Abchasien kontrollieren. Russland hat kritisiert, dass militärische Schiffe wie die der US-Küstenwache und US-Kriegsschiffe Hilfslieferungen nach Georgien bringen.

© AFP/dpa/Reuters/AP/vb/sekr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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