Katrin Lompscher:Karrieredeckel

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Berlins linke Bausenatorin, die für ihre Politik gegen zu hohe Mieten und ihren Einsatz gegen die Immobilienwirtschaft bekannt wurde, ist wegen nicht deklarierter Nebeneinkünfte zurückgetreten.

Von Verena Mayer, Berlin

Katrin Lompscher, bis vor kurzem Bausenatorin in Berlin, gilt als Mutter des Mietendeckels. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Würde man in Deutschland herumfragen, von welchen Berliner Kommunalpolitikern die Leute schon mal gehört haben, wäre die Antwort vermutlich: Katrin Lompscher. Die linke Bausenatorin gilt als Wegbereiterin des Mietendeckels, jenes Gesetzes, das den Wohnungsmarkt auf den Kopf gestellt hat wie kaum eines zuvor. Doch der umstrittene Mietendeckel ist nicht der Grund, warum die 58-Jährige Sonntagabend ihren Rücktritt verkündet hat. Sondern ihre Nebeneinkünfte, genauer gesagt 24 300 Euro.

Die hatte Lompscher erhalten, als sie zwischen 2017 und 2019 Aufsichtsratsposten in drei landeseigenen Unternehmen innehatte. Doch Lompscher hätte nur einen Teil davon behalten dürfen, knapp 5900 Euro hätte sie an die Landeskasse zurückzahlen müssen. Lompscher rechtfertigte sich damit, sie habe geglaubt, eine Zahlungsaufforderung von der Verwaltung zu erhalten, und als diese nicht gekommen sei, sei "das Thema in Vergessenheit geraten". Danach habe sie aber sofort "reagiert und den Differenzbetrag überwiesen", heißt es in einer Erklärung.

Lompscher spricht von einem "schweren persönlichen Fehler" - es geht um 5900 Euro

Ihr Rücktritt kommt für viele überraschend. Ihre Nebeneinkünfte waren vergangene Woche durch eine schriftliche Anfrage einer AfD-Abgeordneten zum Thema "Aufsichtsratsposten von Regierungsmitgliedern" ans Licht gekommen, hatten in der Hauptstadt aber erst keine besonders großen Reaktionen ausgelöst. Doch inzwischen wurde klar, dass die Senatorin ihre Nebeneinkünfte 2017 und 2018 auch nicht versteuert hat. Sie selbst spricht von "einem schweren persönlichen Fehler".

Sie habe nicht vorsätzlich gehandelt und ihre Steuererklärungen inzwischen korrigiert, so Lompscher. Aber es stehe fest, dass sie für die "Versäumnisse die Verantwortung trage", weil sie ihr "weiteres Handeln als Senatorin dauerhaft überschatten" würden. Lompscher legte am Sonntag auch ihre Aufsichtsratsmandate bei der Investitionsbank Berlin (IBB), der Tempelhof Projekt GmbH und der Tegel Projekt GmbH nieder.

Lompscher ist nicht die erste Berliner Spitzenpolitikerin, die über nicht sauber deklariertes Geld stolpert. 2014 musste der damalige SPD-Kulturstaatssekretär André Schmitz nach einer Steueraffäre zurücktreten, er hatte mehr als 400 000 Euro auf einem Schweizer Konto, den Gewinn aber dem Finanzamt verschwiegen. Für eine Stadt, die nie arm war an politischen Skandalen (der "Berliner Filz" gehört hier fast schon zur Folklore), ist Lompschers Fehltritt vergleichsweise klein. Nicht einmal ihre politischen Gegner unterstellen ihr, dass sie sich persönlich bereichern wollte, von den Koalitionspartnern Grüne und SPD kamen am Montag überwiegend freundliche Reaktionen. Dennoch muss sich die Senatorin an ihren eigenen Maßstäben messen lassen. Lompscher ist Vollblutpolitikerin mit einer klassischen Linken-Biografie, die auch gerne mal Sätze sagt wie: "Wir leben bis zum Hals im Kapitalismus, und das ist das Problem."

Lompscher studierte Städtebau in der DDR, trat 1981 in die SED ein und kandidierte nach der Wende für die Nachfolgepartei PDS, war auf Bezirksebene aktiv. Und sie war schon einmal Senatorin in Berlin, von 2006 an für das Ressort Gesundheit und Umwelt zuständig, in jener rot-roten Regierung, die einen enormen Schuldenberg abzutragen hatte. Und das tat, indem sie Sozialwohnungen privatisierte und die größte landeseigene Wohnungsbaugesellschaft an Finanzinvestoren verscherbelte - einer der Gründe, warum sich Immobilienfirmen aus aller Welt in Berlin tummeln und in den vergangenen Jahren die Mieten in die Höhe schossen.

Die Folgen dieser Politik versuchte Lompscher seit Ende 2016 in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zu bekämpfen. Erst mäßig erfolgreich. Der Soziologe und Gentrifizierungskritiker Andrej Holm, den sie als Staatssekretär für Wohnen geholt hatte, musste zurücktreten, nachdem herauskam, dass er seinem Arbeitgeber, der Humboldt-Universität, falsche Angaben über seine Stasi-Vergangenheit gemacht hatte. Lompschers Plan, in Berlin Neubauten anzukurbeln, war ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt, doch dann brachte ihr Ressort 2019 den Mietendeckel auf den Weg. Die Berliner Mieten sind für fünf Jahre eingefroren, und es gelten Mietobergrenzen, je nach Lage und Ausstattung der Wohnung, selbst bestehende Mieten können abgesenkt werden. Das Gesetz löste bundesweit Aufsehen aus und gilt vielen inzwischen als Instrument, um in einen überhitzten Wohnungsmarkt einzugreifen. Lompscher selbst ist für die einen seither ein Feindbild, für die anderen diejenige, die es mit der Immobilienwirtschaft aufnahm, als Mutter des Mietendeckels gewissermaßen. So oder so: Lompscher wurde zu jener Berliner Politikerin, mit der man etwas verbindet.

Dementsprechend unklar ist, wie es nun weitergehen soll. Ihr Job gehört zu den schwierigsten in einer Stadt, die auf der ganzen Welt berühmt ist für Bauprojekte mit ungewissem Ausgang. Die Berliner Linkspartei will sich daher die nötige Zeit für eine Nachfolgelösung nehmen. "Wir wollen keinen Schnellschuss", sagte die Vorsitzende Katina Schubert.

© SZ vom 04.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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