Katholische Kirche:Sich selbst zum Hohn

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Bei seinem Amtsantritt hat Papst Franziskus eine barmherzige Kirche versprochen. Er hält nicht Wort.

Von Matthias Drobinski

Als Franziskus Papst wurde, hat er einige bemerkenswerte Sätze gesagt: Die katholische Kirche müsse das Leben der Menschen sehen und dürfe nicht länger narzisstisch um sich selbst kreisen. Ihre Lehre müsse sich immer neu an der Menschenwirklichkeit messen lassen und dürfe nicht erstarren. Der Papst hat die Barmherzigkeit zum Leitmotiv seiner Amtsführung erklärt. Doch was gerade passiert im Vatikan und wie Franziskus gerade dahergeredet hat, verhöhnt seine eigenen Maßstäbe.

Da soll der Frankfurter Theologe Ansgar Wucherpfennig nach dem Willen der vatikanischen Bildungskongregation widerrufen, dass nach seiner Erkenntnis die Verurteilungen der Homosexualität in der Bibel zeitbedingt sind - und sich gefälligst weniger in der Seelsorge für Lesben und Schwule engagieren. Und da hat Papst Franziskus in der Generalaudienz am Mittwoch Abtreibung mit einem Auftragsmord gleichgesetzt.

Das ist die Wortwahl, das sind die Handlungen einer autoritären Kirche, die von oben herab vermeintliche Abweichler bestraft und Frauen in Notlagen aburteilt, in ihrer Gebrochenheit und Ausweglosigkeit. Es zeigt sich jene Seite der Kirche, die Jorge Mario Bergoglio als krank beschrieben hat, erkrankt an der eigenen Unerbittlichkeit. Und das passiert ausgerechnet in einer Zeit, in der offenbar wird, wie sehr diese Unerbittlichkeit dazu beigetragen hat, dass in dieser Kirche Sexualverbrechen in großem Ausmaß geschehen und vertuscht werden konnten.

Die fünfeinhalb Jahre, in denen Franziskus nun Papst ist, haben diese Krankheit nicht heilen können. Das liegt zum einen daran, dass das alte System immer noch funktioniert, das in Jahrzehnten aufgebaut wurde, nun durch Seilschaften abgesichert ist und immer noch durch Angst und Schweigen unangreifbar erscheint. In der Bildungskongregation stehen weiterhin Kirchenmänner an der Spitze, die gerne mal mit dem Entzug des Nihil Obstat - und damit der Lehrerlaubnis - drohen, wenn sie zu viel Sympathie für Homosexuelle wittern oder für Feminismus. Und immer noch sind Professoren wie Ansgar Wucherpfennig die Ausnahme, die sich das nicht gefallen lassen und den Vorgang öffentlich machen.

Es liegt aber auch an Papst Franziskus, dass seine Vision von einer Kirche, die bei den Schwachen und Bedrückten ist, Schaden erleidet. Viel zu oft wirkt er in solchen Konflikten uneindeutig und schwankend, zu oft will er seinen konservativen Gegnern keine Angriffsfläche bieten. Und immer wieder macht er sich durch unbedachte und unreflektierte Äußerungen selber angreifbar, wenn er daherredet, als sei er der burschikos geratene Stadtpfarrer von Buenos Aires und nicht der Papst einer Weltkirche.

Will er seinen Maßstäben treu bleiben, muss Franziskus die Machtspiele der Bildungskongregation beenden, die das freie, wissenschaftliche Denken und Forschen unterbinden wollen. Vor allem aber muss er seinen unseligen Vergleich vom Auftragsmord zurücknehmen. Es ist gut, dass die katholische Kirche dabei bleibt, dass Abtreibung ein werdendes Leben beendet, sie ein Übel ist und nicht als normaler medizinischer Eingriff verharmlost gehört. Wer aber Frauen, die abtreiben, mit gewissenlosen Killern und ihren skrupellosen Auftraggebern gleichsetzt, schlägt ihnen gleich noch einmal die Menschenverachtung wie eine Faust in den Bauch.

© SZ vom 12.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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