Katholische Kirche:Der Oberhirte geht

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Reinhard Marx will nicht mehr Vorsitzender der Bischofskonferenz sein. Er hat sich vom Konservativen zum Reformer gewandelt - und ist dabei auch auf Widerstand des Vatikans gestoßen.

Von Matthias Drobinski, Frankfurt

Er will Platz für Jüngere machen: Der 66 Jahre alte Kardinal Reinhard Marx wird sich im März nicht mehr um den Vorsitz der Bischofskonferenz bewerben. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

"Alles hat seine Zeit", zitiert der Kardinal den Prediger Kohelet aus dem Alten Testament, um dann den Satz auf sich zu beziehen: Es gab für Reinhard Marx, den Münchner Erzbischof, eine Zeit als Bischofskonferenzvorsitzender - und nun ist es an der Zeit, das Amt abzugeben. Wenn Anfang März auf der Frühjahrsversammlung der katholischen Bischöfe in Mainz turnusgemäß ein Vorsitzender gewählt wird, tritt Marx nicht mehr an.

"Seit einiger Zeit steht das für mich fest", schreibt er seinen Amtsbrüdern in einem Brief. Am Ende einer zweiten Amtszeit wäre er 72 Jahre alt, "ich finde, es sollte die jüngere Generation an die Reihe kommen. Und vielleicht ist es auch gut, wenn es häufiger einen Wechsel in dieser Aufgabe gibt." Selbstverständlich werde er weiterhin aktiv in der Bischofskonferenz mitarbeiten und sich vor allem für den Synodalen Weg engagieren, jenen Reformprozess, der vor zehn Tagen mit der ersten Vollversammlung in Frankfurt gestartet ist. Zudem wolle er wieder stärker im Erzbistum München und Freising präsent sein.

Der Rückzug überrascht: Noch vor zehn Tagen hatte sich Marx für den Synodalen Weg engagiert

Der Rückzug kommt überraschend - noch vor zehn Tagen hatte Marx engagiert der Versammlung des Synodalen Weges in Frankfurt vorgesessen. Doch in den vergangenen Monaten hatte Marx auch immer wieder durchblicken lassen, dass eine zweite Amtszeit als Bischofskonferenzvorsitzender für ihn nicht das höchste irdische Glück darstellen würde. Sechs Jahre lang stand der Münchner Kardinal, der eines der größten Erzbistümer in Deutschland leitet und zudem noch im Kardinalsrat Papst Franziskus berät, inmitten der Richtungskämpfe seiner Kirche und im Hagelsturm des Missbrauchsskandals.

Bereits auf der Frühjahrsversammlung in Münster im März 2014 brauchte es vier Wahlgänge, ehe Marx die erforderliche Mehrheit der Bischöfe hinter sich hatte und Nachfolger des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch wurde. Die Konservativen hätten lieber den Münsteraner Bischof Felix Genn an der Spitze der Konferenz gesehen, die Liberalen Franz-Josef Bode aus Osnabrück. Am Ende aber erschien den meisten Hirten der Münchner Kardinal als derjenige, der am besten die Kirche nach außen repräsentieren könnte, mit seinem politischen Gespür, seiner Fähigkeit zum pointierten Statement.

Und so wurde Marx für sechs Jahre das Gesicht der katholischen Kirche in Deutschland, einer Kirche in der Krise und im Umbruch, mit Rekord-Austrittszahlen. Nach und nach verschoben sich dabei seine Positionen: Als er 2008 gegen Zollitsch antrat und verlor, war er noch der Kandidat der Konservativen gewesen, nach 2014 setzte er sich zunehmend für - vorsichtige - Reformen ein. Er trat dafür ein, Geschiedene, die wieder geheiratet haben, im Einzelfall zur Kommunion zuzulassen, ebenso evangelische Christen, die einen katholischen Partner haben. Und als im September 2018 eine Studie zur sexualisierten Gewalt die Vermutung äußerte, die zölibatäre Lebensform und die Tabuisierung von Sexualität und Homosexualität könnten zu den Taten und ihrer Vertuschung beigetragen haben, da wurde er zur treibenden Kraft des Synodalen Weges, auf dem die Bischöfe mit Vertretern des Kirchenvolks über Macht, Sexualität, den Zölibat und die Rolle der Frauen beraten wollen.

Das brachte ihm Kritik und auch hartnäckige Gegnerschaft ein - vor allem von den bayerischen Bischöfen in Regensburg, Augsburg und Passau; Wortführer wurde der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Er äußerte zuletzt die Befürchtung, der Synodale Weg könnte zu einer Protestantisierung der katholischen Kirche führen. Diese Auseinandersetzungen führten immer wieder nach Rom, ohne dass von dort die abschließende Antwort gekommen wäre. Mal gab der Papst Marx recht, mal seinen Kritikern, manchmal beiden zugleich: Der Brief von Franziskus im Vorfeld des Synodalen Weges ermuntert die Kirche in Deutschland, mutig neue Wege zu gehen, aber sich nicht von der Weltkirche zu trennen - das kann jeder auslegen, wie er will. Auch dieses Hin und Her in Rom hat Marx am Ende tief frustriert. Ebenso, dass ein Bischofskonferenzvorsitzender nur begrenzte Durchsetzungsmacht ha: Er ist eine Art Klassensprecher, laut Kirchenrecht ist jeder Bischof dem Papst verantwortlich und ansonsten weitgehend autonom. In den sechs Jahren der Marx'schen Amtszeit ist aber auch eine jüngere Bischofsgeneration ins Amt gekommen, die durchaus genervt war von der nicht immer kollegialen Amtsführung des Vorsitzenden. Sie könnte für einen Neuanfang stehen: Franz Jung in Würzburg, Georg Bätzing in Limburg, Stephan Burger in Freiburg, Stefan Heße in Hamburg und Stefan Oster in Passau, Heiner Wilmer in Hildesheim und Peter Kohlgraf in Mainz. Vor allem Wilmer hat klar gesagt, wie sehr der Missbrauchsskandal das Selbstverständnis der katholischen Kirche trifft - und auch verändern muss. Größere Chancen als neuer Konferenzvorsitzender dürfte jedoch aus dieser jüngeren Generation der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf haben, der, bei gleicher Haltung, vermittelnder formuliert als Wilmer.

"Ich habe das Amt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz sehr gerne ausgeübt", schreibt Marx; schöngefärbt ist das trotz allem Frust nicht. Marx, der Macher, hat es auch genossen, die Dinge voranzutreiben, gegen alle Widerstände. Geht hinaus, habt Mut - das hat er den Mitbrüdern immer wieder gepredigt. Nun ist ein anderer an der Reihe.

© SZ vom 12.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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