Kanzlergemälde:Schröder hängt

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Wie Altkanzler Schröder seiner Nachfolgerin sein Immendorff-Portrait übergab - und Merkel dabei ein gewisse Hoheit über den Humor in der Hauptstadt erlangte.

Thorsten Denkler, Berlin

Kanzleramtsminister Thomas de Maizière sagt, er sieht sie manchmal da stehen, die Schulklassen vor der Galerie der ehemaligen Regierungschefs im Bundeskanzleramt. Die Kinder rätselten dann, wer da wohl wer ist. Steht ja kein Name dran an den Bildern.

Nur die Reihenfolge ist klar. Ganz rechts beginnt die Galerie mit dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer. Ganz links endete die Reihe gestern noch mit Helmut Kohl. Seit heute hängt neben dem Dauerkanzler auch Schröders Portrait, gemalt vom deutschen Ausnahmekünstler Jörg Immendorff, der vor wenigen Wochen gestorben ist.

"Ein schöner Termin", befand Gerhard Schröder. Er strahlte übers ganze Gesicht, als er die versammelte Presse vor sich sah. Wie damals, mag er gedacht haben. Und wären Schüler hier, einige hätten sich vielleicht gefragt, wer denn die Frau neben dem Kanzler ist.

Schröders Portrait hebt sich deutlich ab von den anderen sechs Werken. Er ist der einzige, der nicht sitzend gemalt wurde, der einzige, der frontal - man könnte jetzt sagen - in die Kamera schaut. Der Medienkanzler, in Gold gemalt, umringt von Affen, Künstleraffen im Sinne Immendorffs, die den Kanzler kritisch beäugen.

Immendorff hat das Bild seinem Freund Schröder geschenkt. Der wiederum hat es dem Kanzleramt geschenkt. Kohls Bildnis ist dagegen nur eine Leihgabe.

Die Frau neben Schröder, dem echten, nicht dem gemalten, ist Angela Merkel, seine Nachfolgerin. Die hat er im Kanzleramt zuletzt getroffen, als er ihr das Haus nach der Wahl 2005 übergeben hat.

Schröder hat alte politische Weggefährten zu diesem Termin mitgebracht: Frank-Walter Steinmeier, unter Schröder Chef des Bundeskanzleramts, unter Merkel Außenminister und bald unter Beck Vize-Parteichef. Dann noch Franz Müntefering, unter Schröder Fraktions- und Parteichef und heute Vizekanzler, unter Merkel. Und Bela Anda, unter Schröder Regierungssprecher, heute Wirtschaftsberater.

Mit dabei war auch die junge Witwe des verstobenen Künstlers, Oda Jaune. Schröder und sie posierten später für Fotografen Arm in Arm vor dem Werk ihres Mannes.

Schröder spricht noch ein paar Worte, würdigt die Arbeit Immendorffs und dass sich an diesem schönen Tag auch Trauer mische über dessen Tod. Aber er wäre nicht Schröder, wenn er diesen Termin nicht für einen kleinen Scherz nutzen würde.

Dafür weist seine rechte Hand am ausgestreckten Arm auf die Lücke links neben seinem Bildnis. Da wäre ja noch Platz. Irgendwann, bemerkt er süffisant an die Kanzlerin gerichtet, "wann auch immer, werden Sie möglicherweise neben mir hängen." Er wolle damit aber keine Spekulationen über ein neues "Traumpaar" in der Politik eröffnen, sagt Schröder lachend über diesen aus seiner Sicht wohl gelungenen Witz.

"Warum wird der Schröder nicht aufgehängt?'"

Merkel verstand es zu kontern. Zunächst zeigte sie sich erfreut, dass Schröder zu diesem Termin gekommen sei. Die Große Koalition erlaube es ihm, das Haus unbefangen zu betreten. Er habe ja auch seine "alten Kameraden mitgebracht". Ein Satz, der für erste Lacher sorgte.

Die Kanzlerin lobte den künstlerischen Sachverstand Schröders, der "prägend" gewesen sei für diesen "nicht immer einladenden Bau". Dann reflektierte sie ein wenig über das Bild und dessen überraschende Wirkung auf sie, die ganz anders sei, als sie sie auf den Abdrucken in den Zeitungen wahrgenommen habe. Allerdings fiel ihr - ganz Physikerin - ein technisches Detail auf: Es sei "lichtmäßig sehr scheinwerferabhängig", sagte sie und musterte ihren Vorgänger kurz. "Aber das passt ja eigentlich ganz gut."

Schröders Sinn für Humor ist bekannt - vielleicht zu bekannt um noch zu überraschen. Merkel dagegen hat den Vorteil, dass nie so recht gesagt werden kann, ob eine Pointe geplant oder eher Produkt eines Missgeschickes war. Merkel sagte etwa, die Eingangsbemerkung ihres Kanzleramtschefs über die Schülergruppen aufgreifend, sie sei jetzt doch froh, "dass die Schüler nicht mehr fragen müssen: 'Warum wird der Schröder nicht aufgehängt?'"

Nun, jetzt hängt er, der Schröder. Und irgendwann, soviel ist sicher, wird auch Merkel an der Wand im Nordflügel des Kanzleramtes hängen. Die Tradition, einst von Helmut Schmidt begründet, wird fortgeführt. Merkel erzählte noch, wie Schmidt einmal gefragt wurde, was man brauche, um sich porträtieren zu lassen. Schmidt antwortete, einen blauen Anzug, sonst nichts. Den blauen Anzug hatte Merkel heute schon an.

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