Johannes Friedrich im Chat:"Kirche ist nie ein Auslaufmodell"

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Johannes Friedrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, über gemeinsames Abendmahl, Missbrauch und Atheisten. Der Chat in der Nachlese.

Moderator: Herzlich Willkommen zum Chat mit Landesbischof Johannes Friedrich!

"Ich hoffe, dass nach dem Tod Gott auf mich wartet": Johannes Friedrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. (Foto: Foto: dpa)

jumbojet123: Hallo Bischof Friedrich. Meine Frage an Sie: Ist Kirche nicht ein Auslaufmodell, wo doch in unserer Zeit Glaube als etwas sehr persönliches gesehen und auch gelebt wird?

Landesbischof Friedrich: Christlicher Glaube ist ohne Gemeinschaft nicht denkbar, deshalb ist Kirche, in welcher Form auch immer, nie ein Auslaufmodell.

gromith: Herr Friedrich, warum finden so viele Menschen die Kirche unattraktiv, wenn sie doch eigentlich nur Gutes verspricht, und warum lohnt sich Ihrer Meinung nach der Glaube an Jesus?

Landesbischof Friedrich: Da kann man eine Doktorarbeit dazu schreiben. In Kürze: Leider wissen viele Menschen viel zu wenig, wie attraktiv Kirche in Wirklichkeit für moderne Menschen ist. Durch meinen Glauben an Jesus lebe ich sehr fröhlich und getrost auch in schwierigen Lebenssituationen, weil ich dort Halt und Geborgenheit finde

mircomeyer: Herr Friedrich, Sie sagten eben, christlicher Glaube ist ohne Gemeinschaft nicht denkbar. Warum? Ob ich glaube oder nicht ist doch eine absolut persönliche, individuelle Entscheidung!

Landesbischof Friedrich: Ja, Sie haben recht. Glaube ist eine persönliche Entscheidung. Aber von Gott und Jesus wissen wir nur durch andere Menschen und der Heilige Geist kann vor allem im Gespräch mit anderen Menschen wirken. Darum sind Gespräch über den Glauben absolut wichtig, man kann das nicht alles nur in seinem eigenen Kopf abmachen

GegenPapst: Was spricht dagegen ungläubig zu sein?

Landesbischof Friedrich: Gut, jeder kann sich frei entscheiden. Aber ich denke: Mein Glaube ist eine große Bereicherung für mich, die mir das Leben leichter und fröhlicher macht.

peti87: Lieber Herr Friedrich, was bedeutet der erste Auftritt von Frau Käßmann für die Evangelische Kirche?

Landesbischof Friedrich: Ich freue mich, dass Frau Käßmann sich entschieden hat, in München dabei zu sein. Ihre Stimme ist für unsere Kirche unverzichtbar und sie wird sie auch in Zukunft erheben.

cowgirl_fiffi: Gibt es in der evangelischen Kirche weniger Skandale, weil sie kein Zölibat hat? Was raten Sie der katholischen Kirche in der Hinsicht?

Landesbischof Friedrich: Eine hohe Zahl der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche hängt an der hohen Zahl von katholischen Klosterschulen, die es dort - anders als bei uns - gibt. Zölibatär zu leben bedeutet nicht, von vornherein gefährdeter zu sein, aber ich glaube, es ist dringend notwendig, dass in der Ausbildung und Begleitung von zölibatär lebenden Menschen das Thema Sexualität stärker beachtet und bearbeitet wird.

cowgirl_fiffi: Was würden Sie Walter Mixa am liebsten sagen? Wie ist Ihr Kommentar zu den Vorfällen, in die er verwickelt ist?

Landesbischof Friedrich: Ich denke Bischof Mixa hat die richtige Konsequenz aus der Diskussion der letzten Wochen gezogen. Mehr will ich dazu öffentlich nicht sagen.

peti87: Und welche Rolle hatte Frau Käßmann ihrer Meinung nach für die Kirche und welche Auswirkung hatte ihr Rücktritt???

Landesbischof Friedrich: Der Rücktritt von Frau Käßmann hat in der breiten Öffentlichkeit das Vertrauen in ihre Integrität und die der Kirche gestärkt. Wir brauchen die klare Stimme von Frau Käßmann zur Fragen der Zeit auch weiterhin.

mircomeyer: Das Motto des Kirchentages ist ja "Hoffnung". Worauf hoffen Sie?

Landesbischof Friedrich: Ich hoffe erst mal auf gutes Wetter. Im Ernst: Ich hoffe, dass mein Vertrauen in die Liebe Gottes mich mein Leben lang stärkt und auch nach dem Tod Gott auf mich wartet.

Auf der nächsten Seite: Landesbischof Friedrich sagt, wo wir heute ohne Atheisten und Aufklärung wären - und spricht über die Abmachungen zum gemeinsamen Abendmahl.

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LeonieSommer: Guten Tag Herr Landesbischof Friedrich! Was macht den Kirchentag für Sie zu einem besonderen? Was erwarten Sie sich von dem Treffen in München ?

Landesbischof Friedrich: Das ganz Besondere ist, dass es zum zweiten Mal ein ökumenischer Kirchentag ist. Ich erwarte mir eine Stärkung all der vielen Menschen, die ökumenisch engagiert sind.

wystrach: Viele römisch-katholische ChristInnen werden beim ÖKT an evangelischen Abendmahlsgottesdiensten teilnehmen. Wenn Sie dies - zu Recht - nicht verhindern / verbieten, warum kritisieren Sie dann die Reformgruppen, die Gottesdienste mit gemeinsamen Abendmahl feiern (wie z.B. beim ÖKT 2003 in Berlin)?

Landesbischof Friedrich: Es gibt eine klare Abmachung zwischen den Kirchen in Bezug auf den ÖKT: Die in den Kirchen herrschenden Regeln werden auch beim ÖKT gegenseitig anerkannt. Deshalb werden wir bei evangelischen Abendmahlsfeiern wie auch sonst immer, alle getauften Christen einladen, und deshalb akzeptiere ich die Haltung der kath. Kirche, die zu ihren Eucharistiefeiern nur katholische Kirchenmitglieder einlädt. Ökumene kann man nicht mit Regelbruch erzwingen.

julia100: Hallo Herr Landesbischof, wie kann Ökumene funktionieren, wenn die kath. Kirche unsere Kirche nicht als Kirche im eigentlichen Sinne anerkennen will. Soll das noch weitere 500 Jahre dauern? Ich erkenne keinen Sinneswandel. An der Basis funktioniert es. Warum nicht Etagen höher?

Landesbischof Friedrich: Die Basis gehört genauso zur Ökumene wie die Kirchenleitung. Deshalb freue ich mich über alle gute ökumenische Zusammenarbeit an der Basis. Theologische Überzeugungen kann man nicht wie auf dem Jahrmarkt "verhandeln". Die kath. Kirche sagt nicht, dass wir nicht Kirche sind, sondern dass wir nicht so Kirche sind, wie die kath. Kirche es definiert. Aber genauso wollen wir auch nicht Kirche sein: Zum Beispiel mit einem Papst an der Spitze. Deswegen regen mich diese Aussagen der kath. Kirche gar nicht auf.

annika.gehrmann: Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen dem katholischen und dem evangelischen Glauben? Für mich aktuell im Raum, zu konvertieren.

Landesbischof Friedrich: Der wichtigste Unterschied ist das Verständnis des Bischofsamtes: Die katholische Diözese wird vom Bischof her gedacht, die Priester sind seine Mitarbeiter, und beide gemeinsam bilden den geistlichen Stand der Geweihten. In der evangelischen Kirche gibt es keinen geistlichen Unterschied zwischen PfarrerInnen und Gemeindegliedern. Der Bischof ist ein Pfarrer wie alle anderen, mit dem besonderen Aufgabenbereich für die ganze Landeskirche zu sprechen. Alle anderen Unterschiede lassen sich auf diesen Unterschied zurückführen.

biermoos: Herr Friedrich, es gibt ja so viele christliche Gemeinden und Kirchen. Wenn es nun um Ökumene geht, wo ziehen Sie die Grenze? Was ist das Zentrale, das alle Gemeinden gemeinsam haben, bzw. was braucht es,damit man zur Ökumene dazugehören kann? Sind z. B. die Zeugen Jehovas auch dabei, bzw. warum nicht?

Landesbischof Friedrich: Die wichtigsten gemeinsamen Punkte sind: Die Bibel, das Glaubensbekenntnis, das gemeinsame Tauf-Verständnis. Wer an Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen glaubt, gehört zu einer christlichen Kirche, wenn nicht wichtige Punkte dem entgegenstehen, z. B. die Einhaltung der Gewissenfreiheit des Einzelnen. Diese sehe ich bei vielen Gruppen, die ich als Sekte bezeichnen würde, z. B. die Zeugen Jehovas, nicht gegeben.

GegenPapst: Wo wären wir heute ohne Aufklärung und Atheisten?

Landesbischof Friedrich: Meines Erachtens ist die Aufklärung nur auf dem christlich humanistischen Nährboden möglich gewesen. Inanderen Kulturen und Religion ist sie so nicht entstanden. Auf der anderen Seite bin ich dankbar, dass durch die Aufklärung Fehlentwicklungen in der Kirche korrigiert worden sind. Dass es Atheisten gibt, ist dann eine Folge der von mir begüßten Religionsfreiheit, die auch in der Aufklärung begründet ist.

Auf der nächsten Seite: Friedrich über den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kirche und eine Antwort auf die Frage, was ihm der Heilige Geist bringt.

gromith: Trost und Geborgenheit kann man ja in vielen Institutionen und Gemeinschaften bekommen. Worin erleben Sie denn persönlich konkret diesen Halt, von dem Sie sprechen, in der Kirche?

Landesbischof Friedrich: Auf einer Konferenz starb völlig unerwartet ein Kollege von mir. Er wurde in einem schrecklichen Kellerraum aufgebahrt, und wir standen um ihn herum, um Abschied zu nehmen. Wir sagen Lieder, hörten Worte der Bibel und beteten miteinander. Und ich dachte: Was würde ich jetzt machen, wenn ich nicht durch Lieder und Gebete und die Zusage des Wortes Gottes getröstet werden würde.

mircomeyer: Aha, dass "Gott auf Sie wartet". Ist das erstrebenswert? Wie stellen Sie sich denn die Zukunft nach dem Tod konkret vor?

Landesbischof Friedrich: Es gibt in der Geschichte viele Antworten auf diese Frage. Ich selbst kann für mich darauf verzichten, mir auszumalen, wie das sein könnte, denn es wird doch ganz anders sein. Mir ist es wichtig, dass nach dem Tod nicht alles aus und vorbei ist, und die Liebe Gottes mich aufnehmen wird. Das nimmt mir alle Angst vor dem Tod.

biermoos: Noch eine weitere Frage die mich interessiert: der Christliche Gott ist ja "Trinität", also Vater, Sohn, Heiliger Geist. Wie erleben Sie die drei im Alltag, bzw. vor allem den Heiligen Geist? Was bringt der Ihnen?

Landesbischof Friedrich: Der Heilige Geist ist für mich die Wirkungsweise Gottes, die ich spüre, wenn ich mit anderen Christen rede und Antworten auf meine Fragen suche. Die Vorstellung von Gott als dem Vater ist für mich verbunden mit starker täglicher Dankbarkeit dafür, dass ich lebe und bewahrt bleibe. Die Rede von Gott als dem Sohn ist für mich verbunden mit dem Wissen darum, dass ich durch Jesus Christus vor Gott gerecht bin trotz aller meiner Fehler.

peti87: Was tut die evangelische Kirche, um Missbrauchsfälle zu verhindern?

Landesbischof Friedrich: Wir haben schon seit vielen Jahren insbesondere für unsere Jugendarbeit ein ausgefeiltes Programm, damit alle Mitarbeitdenden in der Jugendarbeit - haupt- oder ehrenamtlich - sich mit dem Thema auseinandersetzen.

peti87: Finden Sie dass das Thema "Missbrauch", dass die Kirch ja zur Zeit stark beschäftigt, angemessen auf dem Kirchentag vertreten ist? Es sind ja nur zwei Veranstaltungen von über 2.000 ... Und glauben Sie, dass tatsächlich die Bereitschaft zur kritischen (Selbst-) Reflexion gegeben ist??

Landesbischof Friedrich: Das Thema Mißbrauch kam erst in der Öffentlichkeit auf, als das Kirchentagsprogramm schon fertig gestellt war. Wir haben sofort reagiert und die zwei Veranstaltungen zusätzlich ins Programm genommen - was schon logistisch gar nicht einfach war. Faktisch kommt das Thema aber auch in mehreren anderen Veranstaltungen vor - z. B. im Bereich der Jugend. Außerdem ist unser Beratungszentrum darauf eingestellt, dass Opfer, aber auch Täter professionelle Hilfe finden können. Ich erlebe die Kirchenleitungen aller deutschen Kirchen als überaus bereit zur kritischen Selbstreflexion.

bafana-fan: ... Und welche Formen des Dialoges bieten Sie Opfern von sexuellem Missbrauch in der Kirche an? Ist dieser Bereich auch ein Thema auf dem Kirchentag?

Landesbischof Friedrich: Alle Kirchen in Deutschland haben Ansprechpartner und Beratungsstellen eingerichtet - sei es zur vertraulichen Beratung, sei es zur rechtlichen Verfolgung der Taten. Zum Beratungszentrum habe ich vorhin schon geantwortet.

Im nächsten Abschnitt gibt der Landesbischof Anwort auf die Frage, ob die Kanzlerin auf übernatürlichen Beistand hofft - und sagt, was er vom neuen Ratsvorsitzenden der EKD hält.

peti87: Könnte der Auftritt von Frau Käßmann auch als PR-Auftritt für ihr neues Buch als negativ empfunden werden?

Landesbischof Friedrich: Das glaube ich nicht.

peti87: Was halten Sie vom neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschland?

Landesbischof Friedrich: Ich kenne Nikolaus Schneider seit vielen Jahren und schätze ihn sehr als einen besonnenen, ruhigen, theologisch fundierten Mann, dem ich die Rolle der Leitung der Evangelischen Kirche in Deutschland ohne Abstriche zutraue. Ich hoffe, dass er diese Rolle auch in den nächsten 5 Jahren wahrnehmen kann.

arnoldjansen: Guten Tag Herr Bischof, es ist doch ein Ökumenischer Kirchentag. Wäre es nicht gut gewesen und Sie hätten darauf bestehen sollen, dass Erzbischof Marx auch hier im Chat wäre?

Landesbischof Friedrich: Das müssen Sie die SZ fragen - ich hätte auch gerne mit ihm zusammen gechattet!

gromith: Sie sind vielleicht näher dran an der Kanzlerin als ich: Teilt Sie denn Ihren Glauben? Ich fände es sehr interessant zu wissen, ob unser Land von einer Frau regiert wird, die alles aus sich selbst regeln will, oder die auf einen übernatürlichen Beistand hofft.

Landesbischof Friedrich: Nach allem, was ich weiß, ist Frau Merkel eine gläubige Protestantin und vertraut darauf, dass letzlich die ganze Welt in Gottes Hand ist, wir Menschen aber die Verantwortung von Gott bekommen haben, alles zu tun, um diese Welt in Gerechtigkeit und Frieden zu bewahren.

biermoos: Wenn Sie jedem Menschen EINE Herausforderung oder Aufforderung in Bezug auf sein Leben stellen dürften - was wäre Ihr Anliegen, bzw. was welche Herausforderung sollte jeder Mensch Ihrer Meinung nach einmal annehmen?

Landesbischof Friedrich: Ich denke, jeder Menschen sollte versuchen, im Leben genau den Ort zu finden, wo seine oder ihre Fähigkeiten und Begabungen für andere Menschen gebraucht werden und er oder sie einfach unersetzlich ist. Dann wird er/sie merken, dass dies/ihr Leben unglaublich bereichert!

Moderator: Herzlichen Dank für alle spannenden Fragen - und für Ihre Antworten, Herr Friedrich! Wir wünschen noch einen guten Tag!

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