Italien:Taxi, Tablet und Konfekt

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2010 hievte Umberto Bossi (links) seinen Spross Renzo in die Politik. Der nutzte sein Amt für allerlei Besorgungen. (Foto: Alberto Pellaschiar/AP)

In Mailand stehen 56 Lokalpolitiker wegen Veruntreuung öffentlichen Geldes vor Gericht. Die Medien nennen den Fall "spese allegre" - fröhliche Spesen.

Von Oliver Meiler, Rom

Sein Vater nannte ihn einmal öffentlich eine Forelle, eine "trota", eine tierische Variation von Dumpfbacke. Und man darf unbedingt davon ausgehen, dass Umberto Bossi, Gründer und langjähriger Chef der rechtspopulistischen italienischen Partei Lega Nord, es auch genau so meinte. Renzo Bossi, der Sohn, macht seinem Übernamen seither alle Ehre. Er belustigt und befremdet die Italiener, zumeist gleichzeitig. So wurde zum Beispiel bekannt, dass er den Universitätsabschluss, mit dem er zu prahlen pflegte, im albanischen Tirana erworben hat - käuflich. Immer mal wieder hört man von realsatirischen Anekdoten aus seinen Liebschaften, die er bevorzugt mit Damen aus dem Showbusiness unterhält. Renzo Bossi ist zum Inbegriff des verzogenen Vatersöhnchens geworden.

Von 58 Sitzungen schwänzte Renzo Bossi 51. Und schrieb fast 16 000 Euro an Spesen auf

Nun aber wird er bald vor dem Mailänder Gericht erscheinen müssen. Es läuft da ein großes Verfahren gegen 56 Lokalpolitiker; verhandelt werden Amtsunterschlagung, Veruntreuung öffentlichen Geldes, Betrug. Die Medien nennen den Fall "spese allegre", etwa: fröhliche Spesen. Von allen Angeklagten ist Bossi junior der prominenteste. Er war nämlich mal eine verkürzte Legislaturperiode lang lombardischer Regionalrat, als Vaters Sohn, gewählt auf einer Liste der Lega Nord. 2010 war das, er war damals 21 Jahre alt und nur leidlich interessiert am Parlamentsbetrieb. Von insgesamt 58 Sitzungen schwänzte er 51. Dabei war das Mandat gut bezahlt, etwa 11 000 Euro im Monat. Doch das Geld reichte Bossi offenbar nicht aus, um kleinere Ausgaben zu decken, die halt so anfallen: Zigaretten etwa, Videospiele, mal eine Flasche Campari, Drinks in Bars, Kraftriegel, Energydrinks mit dem Stier im Logo, ein edles Smartphone, Kopfhörer dazu, einen Computer. Die Liste ist noch viel länger, und sie ist Teil der Akten. Strafrechtlich relevant daran ist, dass sich Bossi die Käufe aus dem Fonds vergüten ließ, den der Staat den Parteien für die Dienstspesen ihres Personals zuweist. Insgesamt schrieb er in zwei Jahren 15 757,21 Euro auf.

Interessant ist auch die fröhliche Spesenreiterei einer anderen berühmten Angeklagten: Nicole Minetti, landes- und später weltweit bekannt geworden als Silvio Berlusconis Dentalhygienikerin und Partyorganisatorin. Minetti schaffte es in derselben Legislatur wie Bossi ins lombardische Regionalparlament - als Silvios Girl gewissermaßen, entsandt von Forza Italia. Damals gingen solche Promotionen noch, es waren besonders frivole Zeiten in der nie sehr traurigen italienischen Politik. Minetti verlieh dem Parlament eine verruchte Note Glamour. Nie waren mehr Fotografen in der Aula, als wenn sie sich dorthin bequemte und in Pose warf, die Lippen nach außen gestülpt. Sie brachte es auf insgesamt 19 651,96 Euro. Da war ein Computer-Tablet dabei, Accessoires einer schwedischen Möbelkette, Drinks in hippen Bars und viele Quittungen für Diners in teuren Restaurants. Minetti hinterlegte auch mal eine Rechnung über 832 Euro für ein Essen im Hotel Principe di Savoia. Dort diniert man nicht dienstlich.

Unter den Parlamentskollegen der beiden gab es auch einen, der in einem Jahr 15 000 Euro allein für Konfekt ausgab - womöglich immer in derselben Pasticceria, was noch ganz andere Verdächte nähren würde. Ein anderer verrechnete in einem einzigen Jahr 27 500 Euro für Fahrten im Taxi. Das Geld hätte für den Kauf eines Wagens gereicht. Allen Herrschaften drohen mehrere Jahre Haft, sollte man ihnen nachweisen können, dass sie frohgemut und nicht nur dienstlich öffentliches Geld verprassten. "Trota" wird es besonders schwer haben, die Ausgaben zu rechtfertigen. Bossi fühlte sich so wohl im großen Teich der Möglichkeiten, den ihm der Senior da in väterlicher Liebe zuwies, dass er zum Übermut neigte.

© SZ vom 27.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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