Italien:Saubermann

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Rom erstickt seit Langem im Müll. Ex-Premier Matteo Renzi macht nun damit Wahlkampf.

Von Oliver Meiler

Wer Rom einmal anders sehen will, fernab der touristischen Romantik, der kann sich im Netz den beliebten Blog "Roma fa schifo" anschauen, "Rom ist widerlich". Dort posten die Bürger der vielleicht schönsten, sicher aber ewigsten und zuweilen mühseligsten Stadt der Welt Fotos und Videos von den Frustrationen ihres Alltags. Besonders stark leiden die Römer wegen der Abfallberge in den Straßen und wegen der Nutznießer aus der Fauna, die durch sie angezogen werden: die fetten Tauben, die Ratten, die Wildschweine und Möwen. Die Posts sind Dokumente der Dekadenz, manchmal mischen die Blogger Ironie in die Kommentare, damit lässt sich der Frust leichter ertragen.

Doch wehe dem Mächtigen, der die Römer ob ihrer Mühsale auch noch verhöhnt - wie nun Pinuccia Montanari, zuständig für Umwelt und Müllentsorgung in der Stadtregierung der Cinque Stelle. Die Norditalienerin ist erst seit einigen Monaten im Amt. Entsandt hatte sie der Chef der Fünf Sterne, Beppe Grillo, der in Rom beweisen will, dass seine Protestpartei auch das ganze Land regieren könnte. Man kann Montanari nicht vorwerfen, sie sei alleine schuld am Müllproblem. Rom produziert nun mal viel mehr Abfall, als seine vier Anlagen verarbeiten können, und eine neue Anlage will die Partei nicht bauen lassen. Und Recycling hat einen schweren Stand, erst 43 Prozent des römischen Mülls werden getrennt. Zudem war die städtische Entsorgungsgesellschaft Ama schon immer ein Inbegriff für Vetternwirtschaft und Verschwendung.

Nur hätte Montanari vielleicht nicht behaupten sollen, sie habe alles im Griff, der "Müllnotstand" sei ein Hirngespinst der Medien. Abfall, sagte sie auch, sei eine Ressource, und nannte ihn "Post-Konsumiertes" - ein hübsches Wort für Modriges. Seitdem wird ihre Behörde zugemüllt mit Fotos, die Montanaris Optimismus widerlegen. Überall in der Stadt quellen Abfallcontainer über. Vor den Restaurants im Zentrum türmen sich nach Feierabend (und auch noch am Morgen danach) Berge schwarzer Abfallsäcke voller Essensreste. Da und dort behelfen sich die Bürger selbst und zünden den Müll einfach an. Aufpassen müssen sie allenfalls vor den heulenden Möwen, die ihre Beute ungern hergeben. Mit "Post-Ideologie" allein, die sich die Cinque Stelle auf ihre Fahnen schreiben, kommt man dem "Post-Konsumierten" nur leidlich bei.

Die linke Opposition nutzt das Chaos jetzt für eine clevere, wenn auch etwas heuchlerische Kampagne. Matteo Renzi hat die Anhänger seines Partito Democratico aufgerufen, am Sonntag Straßen, Plätze und Parks der Hauptstadt zu putzen. Sie sollen dazu gelbe T-Shirts mit einer aufgedruckten Ameise tragen, damit man sie von Weitem erkennt. Als Virginia Raggi, Roms junge und bislang recht unglücklich regierende Bürgermeisterin, von der Initiative der Gegner vernahm, wies sie die Müllgesellschaft Ama an, rund um die Uhr zu arbeiten. Damit nichts mehr herumliegt, wenn Renzis gelbe Ameisen mit ihren Besen kommen.

Wohin der ganze Abfall soll, den plötzlich alle wegkehren wollen, ist unklar. Das Einzige, was zählt, ist das Rennen um vorteilhafte Bilder. Am Sonntagabend, so viel lässt sich voraussagen, wird Rom so sauber sein wie seit Jahren nicht. Für eine Nacht, immerhin.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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