Italien:Roms Reformator

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Premierminister Matteo Renzi kann den nächsten Sieg vorweisen: die Einführung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft gegen den erbitterten Widerstand der katholischen Kirche. Damit beweist er erneut, dass sein verkrustetes Land doch reformierbar ist.

Von Oliver Meiler

Man kann Matteo Renzi vorwerfen, er sei ungestüm. Unbescheiden und übermäßig optimistisch ist er auch. Doch Italiens Premier verändert gerade sein Land - und wie.

In nur zwei Regierungsjahren hat Renzi Italien einer Serie von Reformen unterzogen, auf die es zum Teil seit Jahrzehnten gewartet hatte: auf dem erstarrten Arbeitsmarkt, im komplexen Zusammenspiel der Institutionen, in der verkrusteten Bürokratie. Natürlich sind nicht alle Reformen perfekt, manche sind voller Kompromisse und Klauseln und müssen sich noch in der Kultur des Landes festsetzen. Aber sie machen Rückstände wett, füllen Lücken aus - allesamt. Renzi modernisiert und dynamisiert Italien mit einer bemerkenswert breit gefächerten Strategie.

Da durften die Bürgerrechte nicht fehlen. Die Unioni civili, das Gesetz zu den gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, das nach der Billigung im Senat nun nur noch die absehbare Zustimmung des Abgeordnetenhauses braucht, bleiben ebenfalls hinter der ursprünglichen Ambition zurück. Am Ende musste die Linke das Adoptionsrecht opfern, damit die Christdemokraten dem Text zustimmten und zu einer Mehrheit verhalfen. Eine bedeutsame Konzession ist das, eine Niederlage im Sieg. Und doch: Renzi schaffte, woran vor ihm in drei Jahrzehnten drei Regierungschefs gescheitert waren. Es war Zeit.

Portugal, Spanien, Irland, Frankreich - alle diese katholischen Länder hatten die Frage längst geregelt, einige ziemlich fortschrittlich. Nur Italien ließ sich bisher von der katholischen Kirche und ihren Paladinen im Parlament bevormunden. Auch diesmal war der Druck vom anderen Ufer des Tibers, aus dem nahen Vatikan, ungebührlich stark - so stark, dass man sich manchmal fragen konnte, ob Staat und Kirche in Italien tatsächlich getrennt sind. Renzi, von Haus aus ja Christdemokrat, überwand den Widerstand der Bischöfe, indem er sich für einmal zurücknahm.

Es hieß, der Premier verweigere dieser Reform sein Gesicht, weil sie ihm nicht so am Herzen liege wie andere, ihm vielleicht sogar ein bisschen widerstrebe. Politisch aber gereicht sie Renzi zum Beleg dafür, dass er nicht nur liberal reformieren kann, sondern auch links. Die Unioni civili, diese "sexuelle Befreiung Italiens", wie sie die linke Zeitung La Repubblica nennt, sind deshalb ein wichtiges Signal an seine zuletzt oft verwirrte Stammwählerschaft.

Doch Renzi ist ideologisch so postmodern und schwer zu fassen, dass er sich für jedes Dossier neue Mehrheiten zusammenstellen kann, ohne sich verrenken zu müssen. Und da er im Senat nur über ein prekäres Stimmenpotenzial verfügt, verbündet er sich mal mit den einen, mal mit den anderen. Ohne Skrupel und mit viel furbizia, mit viel List. Er nimmt, was er bekommt, spielt Gegner gegeneinander aus. Das machten schon seine Vorgänger. Aber selten machte es einer besser als er.

Renzi reüssiert allerdings nur deshalb, weil sich ihm keine nennenswerte Opposition entgegenstellt. Seit Silvio Berlusconi politisch wegdämmert, ist die Rechte führungslos. Jene Partei, die Renzis Partito Democratico in Umfragen am nächsten kommt, der Movimento Cinque Stelle um den Komiker Beppe Grillo, verweigert sich selbst jenen Reformen, die ihr gefallen müssten - wie den Unioni civili. Das macht sie als Alternative unglaubwürdig.

So setzt Renzi das Tempo allein. Es ist ein hohes Tempo. Wenn es ihm nicht schnell genug geht, stellt er die Vertrauensfrage, damit Bremser im eigenen Lager auf Kurs gehen. Den Sturz scheint er nie zu fürchten. "Gesiegt hat die Liebe", sagte er nach dem jüngsten Sieg im Senat. Und natürlich er, Matteo Renzi.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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