Italien:Renzi: Gesunkenes Fluchtboot heben

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Italiens Premier Matteo Renzi will ein gesunkenes Flüchtlingsboot heben lassen: "So kann niemand mehr sagen: 'Aus den Augen, aus dem Sinn'." (Foto: AP)

Die Welt solle sehen, was bei der Katastrophe im April passiert ist, sagt der Premier. Vier Monate werde die Bergung des Schiffes dauern.

Von Oliver Meiler, Rom

Für Italiens Premier Matteo Renzi hat Europa das Ausmaß des Flüchtlingsdramas im Mittelmeer noch immer nicht gebührend erfasst. In einer Talkshow kündigte er deshalb an, Italien werde das im April in der Straße von Sizilien mit mehr als 800 Migranten untergegangene Boot heben: "So kann niemand mehr sagen: ,Aus den Augen, aus dem Sinn'."

Die italienische Marine habe unlängst einen Tauchroboter in die Tiefe geschickt, damit der Fotos von den Leichen macht: "Man sieht darauf auch Kinder, eingeschlossen im Laderaum des Schiffs. Es sind grauenvolle Bilder." Die ganze Welt müsse sehen, was dort passiert ist. Vier Monate werde die Bergung des Schiffes dauern.

Die Kosten für die Operation schätzte Renzi auf 15 bis 20 Millionen Euro: "Ich hoffe, dass Europa dafür aufkommt, und sonst bezahlt Italien." Europas Würde und zivilisatorisches Selbstverständnis stünden auf dem Spiel. Hintergrund für seinen Appell an das europäische Gewissen ist die Polemik um den Plan der EU-Kommission, Asylbewerber nach einem obligatorischen Quotensystem auf alle Partnerstaaten zu verteilen.

In einer ersten Phase hatten sich Großbritannien, Polen und Ungarn dagegen ausgesprochen. Neuerdings gibt sich aber auch Frankreich skeptisch: Quoten, sagte Präsident François Hollande in Berlin, widersprächen den französischen Prinzipien: "Das Asylrecht folgt keinen Quoten, das ergibt keinen Sinn." Die italienische Regierung ist über die Position des Nachbarlandes besonders verärgert.

Die Bilder des Dramas des gekenterten Schiffs, schreibt La Repubblica, sollen zur "Dramatisierung" beitragen und die europäischen Regierungen zum Handeln drängen. Wie schon oft in den letzten Monaten klagte Renzi über mangelnde Solidarität: "Es kann doch nicht sein, dass Italien alles alleine macht."

Für innenpolitische Aufregung sorgte am Mittwoch die Verhaftung eines jungen Marokkaners bei Mailand. Der Mann soll am vergangenen 18. März am Attentat auf das Museum von Bardo in Tunis beteiligt gewesen sein, bei dem 24 Menschen getötet wurden, unter ihnen viele Touristen. Offenbar reiste der Marokkaner binnen weniger Monate zweimal an Bord von Flüchtlingsbooten in Italien ein, wo seine Mutter und Brüder leben. Nach dem ersten Mal, kurz vor dem Attentat in Tunis, hatten ihn die Behörden aus dem Land gewiesen. Nun fordern rechte Politiker eine sofortige Verriegelung der Grenzen.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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