Italien:Renten-Glück

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30000 pensionierte Staatsbedienstete haben alle Reformen überstanden: Goldrentner, denen es auch im Ruhestand prächtig geht.

Von Oliver Meiler

"Goldrentner" klingt wie ein schöner, verheißungsvoller Titel. Doch so ist er nicht gemeint. Die Mailänder Zeitung Corriere della Sera berichtet, es gebe in Italien 30 000 Pensionäre, deren hohe, sozusagen goldene Renten sämtliche Reformen und Kontrollen der vergangenen Jahre heil überstanden hätten - all dies Kürzungen und Anpassungen in der Krise. Es ist, als bewegten sich die "Pensionati d' oro" in einer Parallelwelt. Und da es sich in diesem Fall um ehemalige Parlamentarier, Regionalräte, Richter und Angestellte des italienischen Staates handelt, haftet der Sonderstellung natürlich ein besonderer Geruch an. Ein vertrauter Mief.

Offizielle Zahlen gibt es nicht, das ist ja gerade der Punkt. Doch es gibt nun plausible Schätzungen des Phänomens, erarbeitet von anerkannten Experten, die sich ins Studium der Bilanzen gestürzt haben und die Daten miteinander kreuzten. In ihrem Bericht nennen sie die Welt der Goldrentner "das andere Pensionssystem".

Da wären einmal jene 16 377, die früher für die sizilianische Regionalverwaltung gearbeitet haben. Im Durchschnitt bezieht jeder von ihnen etwas mehr als 40 000 Euro im Jahr. Dann wären da die Herrschaften Abgeordneten, die "Onorevoli", 1543 insgesamt - die jeweils mehr als 90 000 Euro erhalten. Die 907 Senatorinnen und Senatoren bringen es im Schnitt auf etwa 91 000 Euro. Um die Bediensteten des Parlaments steht es auch nicht wirklich schlecht: 7159 von ihnen erhalten durchschnittlich 55 000 Euro jährlich. Am Besten aber muss sich der Ruhestand jener 29 ehemaligen Verfassungsrichter anfühlen, die jeweils mehr als 200 000 Euro ausbezahlt bekommen. Die Bilanzprüfer rechneten aus, dass der italienische Staat jedes Jahr insgesamt 1,55 Milliarden Euro für seine "Goldrentner" ausgibt. Und zwar konstant, ohne Abstriche, allen Sorgen um die grotesk hohen Staatsschulden zum Trotz.

Die hohen Ausgaben für die "Goldrentner" sind nie gestutzt worden

Es ist ja nicht so, dass sie keine Bezüge verdient hätten. Doch ihre stattlichen Renten wurden eben nie gestutzt wie die Pensionen der meisten Italiener. Außerdem gönnt der Staat seinem ranghohen Personal immer noch einen früheren Ruhestand - bei besserer Stellung. Der Verdacht im Volk, dass sich da eine Kategorie selber schützt, ist nicht neu, er füttert die Abneigung der Italiener gegen ihre politische und bürokratische Elite schon lange. Und zuweilen reagiert die Politik auch auf den Unmut. 2004 zum Beispiel verabschiedete das Parlament eine Norm, die Legge 243, die es hätte ermöglichen sollen, das gesamte Rentensystem des Landes zu durchleuchten, Transparenz und etwas mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Auch die Daten der italienischen Volksvertreter und der Parlamentsbeamten sollten einem zentralen Rechner zugeführt werden.

Doch umgesetzt wurde diese Norm bisher nicht. Die Sizilianer etwa berufen sich auf das Autonomiestatut ihrer Insel und weigern sich, Zahlen in die Hauptstadt zu schicken. Im Verfassungsgericht und im Staatspräsidium sind die Pensionen intern geregelt, und intern soll das auch bleiben. Auch das Parlament führt ein eigenes Rentenregime. Bedarf es einer Änderung, bestimmen die Herrschaften selber darüber und bisher nie zu ihren Ungunsten. Und so bleiben die "Goldrentner" bis heute im Dunkeln, bequem gebettet im parallelen Pensionssystem.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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