Italien:Pünktlich zum Fest

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Die Einigung mit Brüssel im Haushaltsstreit hat quer durchs politische Spektrum in Italien die Gemüter beruhigt. Mehreren Umfragen zufolge wächst im Land auch die Beliebtheit der Europäischen Union wieder stark.

Von Oliver Meiler, Rom

Es ist, als atme das Land kollektiv durch. Die vorläufige Einigung zwischen Rom und Brüssel über den nun nicht mehr so expansiven italienischen Haushalt ist zwar für keine Seite wirklich ideal. Doch so kurz vor Weihnachten sind zumindest in Italien Tauben wie Falken gleichermaßen froh, dass der "unnütze Krieg", wie die Turiner Zeitung La Stampa die Konfrontation zwischen den römischen Populisten und den europäischen Kommissaren nennt, gerade noch rechtzeitig zu Ende geht. Italien hätte sich ein Sanktionsverfahren der EU gar nicht leisten können, das wussten auch die Hardliner.

Die italienischen Zeitungen befinden nun mehrheitlich, in diesem Duell hätten die sanften Gemüter gewonnen. Bei den Italienern sind das vor allem Premier Giuseppe Conte, der die Verhandlungen für sein Land führte und nun nach sechs Monaten im Amt endlich aus dem Schatten seiner beiden Vizes, Luigi Di Maio von den Cinque Stelle und Matteo Salvini von der rechten Lega, getreten ist. Conte ist Anwalt, kein Politiker, und das war bisher immer seine Schwäche gewesen. Im Budgetstreit aber war die unparteiisch konziliante, ja recht charmante Art notwendig für eine Verbesserung des allgemeinen Klimas.

Vergiftet wurde das Klima durch die Propaganda der beiden Vizes, die über Wochen hinweg immer neue Eskalationsstufen zündeten. Als glaubten sie, sich tatsächlich mit der EU anlegen zu können - sie allein. Natürlich war das eine Illusion. Wenn es um Geld und Budget geht, denkt jedes Land zuerst an sich. Die Populisten verloren bald auch die Unterstützung jener Regierungen, der österreichischen und der ungarischen vorab, deren Gunst sie sich gewiss gewähnt hatten. Als die Unruhe an den Märkten anhielt und selbst im eigenen Land das Verständnis für das riskante Spiel schwand, bei den Sparern und den Unternehmern, knickten sie ein.

Als Premier Conte das Resultat im Senat präsentierte, waren die mächtigen Vizes nicht dabei

Salvini und Di Maio gelten als Verlierer, zumindest in der Bewertung der Presse. Wie oft hat man sie sagen hören: "Brüssel kann uns Brieflein schreiben, so viel es will: Wir weichen nicht zurück, keinen Millimeter." Nun willigten sie ein, das geplante Defizit um etwa zehn Milliarden Euro zu reduzieren und ihre Wahlversprechen zu stutzen und zu verzögern - den Bürgerlohn wie die frühere Rente. Sogar die Wachstumsprognose für 2019 haben sie zurückgenommen, von 1,5 auf 1 Prozent. Außerdem sollen staatliche Immobilien verkauft und neue Steuern erhoben werden. Reicht alle neue Vernunft nicht aus, um die Neuverschuldung einzudämmen, dann würde man 2020 die Mehrwertsteuer sofort auf 26,5 Prozent erhöhen. Nicht auszudenken, was dann in Italien los wäre. Aber so steht es jetzt im Deal, den Conte mit Brüssel schloss. Die Geschichte mit der Mehrwertsteuer soll wie eine Bürgschaft wirken, wie ein Pfand. Als Conte die Einigung im Senat präsentierte, waren Salvini und Di Maio nicht dabei - eine Premiere: Bis dahin hatten die mächtigen Vizes den Premier bei wichtigen Terminen immer wie Aufpasser flankiert, ihm souffliert, ihn auch einmal zum Schweigen gebracht. Diesmal saßen ihm Finanzminister Giovanni Tria und Außenminister Enzo Moavero Milanesi zur Seite, beide ebenfalls parteilose Techniker. Salvini und Di Maio wollten wohl nicht gefilmt werden, während ihre Regierung das Einlenken im Kräftemessen mit Brüssel eingestehen musste.

Der TV-Nachrichtensender Sky TG 24 fragte die Italiener in einer großen Umfrage, was sie von dem ausgehandelten Kompromiss hielten: Fast sechzig Prozent sehen darin eine "Niederlage". Zugleich glauben nur 18 Prozent, dass es Italien besser gehen würde, wenn es die EU verließe. Diese Quote spiegelt ein bemerkenswertes Paradox: Obschon die euro- und europaskeptischen Populisten täglich auf die europäischen Institutionen schimpften, steigt in Italien das Vertrauen in ebendiese Gemeinschaftsidee wieder stark an. Das zeigen alle Erhebungen, auch internationale.

Allerdings hat dieses aufgefrischte Europagefühl in Italien gerade keine sehr starke politische Heimat. Der sozialdemokratische Partito Democratico, die rechtsbürgerliche Forza Italia, +Europa: Alle europafreundlichen, konventionellen Parteien im Land stecken noch immer in der Schockstarre, die sie seit den verlorenen Parlamentswahlen vom 4. März lähmt. Und so wächst zwar unter den Italienern die Ablehnung abenteuerlicher Alleingänge. Doch die Gunst der beiden Parteien, die immer mal wieder damit flirten, bleibt konstant hoch. In puncto Wahlabsichten steht die Lega bei etwa 32 Prozent, die Cinque Stelle bei ungefähr 25 Prozent. Zusammen stellen sie noch immer klar die Mehrheit im Land.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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