Italien:Im Glashaus

Falls die Autobahnbetreiber versagt haben, so hat das auch der Staat.

Von Stefan Ulrich

Angesichts einer Katastrophe schließt sich die Nation zusammen - das gilt besonders für Italien. Doch bei der Trauerfeier am Wochenendende für die Opfer des Brückeneinsturzes in Genua wollten viele Angehörige nicht dabei sein. Zu groß war ihr Zorn auf den Staat, den sie für den Tod ihrer Verwandten mitverantwortlich machen. Die Wut ist verständlich, zumal die Regierung versucht, ihrer Verantwortung zu entgehen.

Gewiss ist auch die Rolle des privaten Autobahnbetreibers fragwürdig. Hat er die Morandi-Brücke vorschriftsmäßig kontrolliert? Investiert er genügend Geld in die Sicherheit der Straßen? Und stimmt das Preis-Leistungsverhältnis angesichts der enormen Gewinne, die das Unternehmen Autostrade per l'Italia einstreicht?

Diese Fragen dürfen jedoch nicht verschleiern, dass auch die Regierung Rechenschaft geben muss. Es gehört zur Grundpflicht eines Staates, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Dieser Pflicht kann er sich nicht einfach entziehen, indem er Infrastruktur privatisiert. Er darf den Betrieb von Autobahnen an Private übertragen, muss aber wirksam kontrollieren, ob die Privaten sorgfältig arbeiten. Dies ist in Genua offenbar unterblieben. Wenn die Regierung sich so sicher ist, Autostrade per l'Italia habe eklatant versagt, so müsste sie sich selbst mit auf die Anklagebank setzen.

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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