Italien:Hey, Franz

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Überklebt: Roms Stadtreinigung rückte den illegal befestigten Plakaten zu Leibe, die den Papst angreifen. (Foto: Max Rossi/Reuters)

Das hat es so noch nie gegeben: In Rom hängen Unbekannte ungenehmigte Plakate auf, die den Papst für seine Kirchenpolitik kritisieren. Franziskus nimmt es gelassen.

Von Oliver Meiler, Rom

In Rom kommt es schon mal vor, dass über Nacht die Plakatwände mit anonymen Postern vollgeklebt werden. Illegal, ohne zu bezahlen. Das sind meist politische Aktionen, nicht selten polemische gegen diesen oder jenen Minister, auf die der Urheber bei allem Drang zum Plakativen nicht sonderlich stolz ist. Jedenfalls nicht stolz genug, um mit Namen oder Parteisymbol geradezustehen. Nun traf es den Papst, und das ist schon sehr ungewöhnlich, wenn nicht gar eine Premiere.

Wer am Samstag früh genug aufstand und durch das alte Rom spazierte, etwa beim Kolosseum, bei der Piazza Navona, an der Uferstraße des Tibers oder im Vatikan nahen Borgo Pio, bekam den sonst stets lachenden Franziskus in sonderbarer Pose zu sehen: nachdenklich, schmallippig, verbissen fast. Schon die Auswahl des unvorteilhaften Fotos sollte wohl zur Botschaft gereichen. "A France'", steht darunter in römischem Dialekt, "Hey, Franz, du hast Kongregationen entmachtet, Priester entlassen, den Malteser-Orden und die Franziskaner der Immakulata enthauptet, Kardinäle ignoriert - wo bleibt deine Barmherzigkeit?"

Die städtische Reinigungsgesellschaft beeilte sich, die Plakate zu entfernen oder wenigstens mit einem Zensurbalken etwas zu verdecken. Doch da hatte die Geschichte schon die Runde gemacht, global. Die Polizei schaut sich nun Bilder der Überwachungskameras an und hofft, so die kleisternden Unholde stellen zu können. Aber was das bringt, ist nicht so klar. Auf den Postern steht nicht einmal der Name der Druckerei. Und so wird viel spekuliert, wer den Papst da so unverblümt und sehr spezifisch für seine Personalpolitik angeht.

Am meisten Kredit wird der These zugeschrieben, dass konservative, traditionalistische Kreise der römischen Rechten ihren Unmut über den Reformer aus Argentinien kundtun. Vielleicht, auch das eine Mutmaßung der italienischen Presse, wurden sie dazu ermuntert und womöglich sogar finanziert von Franziskus' zunehmend ungeduldigen Gegenspielern an der Kirchenspitze. Zu Letzteren zählen vier Kardinäle, die dem Papst im Herbst einen Brief zukommen ließen und noch immer auf Antwort warten: Die Deutschen Walter Brandmüller und Joachim Meisner, der Amerikaner Raymond L. Burke und der Italiener Carlo Caffarra forderten Franziskus auf, seine Gedanken zum Abendmahl für wiederverheiratete Geschiedene zu präzisieren - besser: zu revidieren. Die Öffnung, wie sie der Papst nach der Familiensynode in der Enzyklika "Amoris laetitia" formuliert, gilt ihnen als "zweifelhaft", wie sie schreiben, eigentlich als Häresie.

Auch die Kritik an den Personalentscheiden in den Orden zeugt von Insiderwissen. Erst kürzlich zwang der Papst den Großmeister des souveränen Malteser-Ordens, den Briten Fra' Matthew Festing, zum Rücktritt, weil sich der angeblich brüsk aufgeführt hatte. Den unliebsamen Kardinal Burke, der als Patron des Malteser-Ordens amtiert hatte, ersetzte der Papst nun durch den ihm deutlich vertrauteren Monsignor Angelo Becciu, den stellvertretenden Staatssekretär des Vatikans. Bei den Franziskanern der Immakulata, einem relativ jungen Orden, sorgte der Papst für die Pensionierung eines betagten, ultrakonservativen Gründerpriesters. Auch das entging den Plakatschreibern nicht.

Aus dem Vatikan verlautete am Wochenende, der Papst habe "gelassen" auf die Aktion reagiert. Bei anderer Gelegenheit sagte er, ihm seien Kritiker immer noch lieber als Schmeichler: "Die machen ihre Arbeit, ich mache meine." Seinen Schlaf verliere er deswegen aber nicht.

© SZ vom 06.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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