Italien:Haushalt der Hasardeure

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Frechheit siegt: Die Populisten in Rom verteilen Geld, das sie nicht haben - und verspielen damit die Zukunft ihres Volkes.

Von Stefan Ulrich

Laotse wird der Satz zugeschrieben: "Wer in einer Gesellschaft als Heilsbringer auftritt, der zerstört das Volk." Die italienischen Regierungsparteien Fünf Sterne und Lega sind dabei, dies zu bestätigen. Sie brüsten sich damit, im Gegensatz zu den klassischen Parteien der Rechten und Linken nicht den Eliten zu dienen, sondern ausschließlich dem Volk. Der Haushalt, den sie für kommendes Jahr planen, sei ein "Haushalt des Volkes". Die Zeit des Wandels sei gekommen in Italien. Fortan würden die Letzten die Ersten sein.

Tatsächlich machen sich die Sterne und die Lega daran, einen Teil ihrer Wahlversprechen einzulösen: Grundeinkommen für Arme, früherer Renteneintritt, niedrigere Steuern. Das klingt gut in den Ohren vieler Italiener, die seit Langem unter hoher Arbeitslosigkeit, geringen Löhnen und wachsender Armut im Land leiden. Ein großzügigerer Staat würde vielen von ihnen enorm helfen. Und diese Hilfe ist ihnen von Herzen zu gönnen. Das Problem ist nur: Italien kann sich diese Großzügigkeit nicht leisten.

Seine Schulden machen 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, das übersteigt die Höchstgrenze der Maastricht-Kriterien um mehr als das Doppelte. Nur Griechenland hat noch mehr Schulden. Daher geht in Europa die Angst um, Italien werde das Vertrauen der Märkte verlieren und die nächste Schuldenkrise auslösen, die den Euro und die ganze EU in den Untergang reißen könnte. Von Italien selbst ganz zu schweigen.

Doch was tut die populistische Regierung in Rom? Sie düpiert ihren rational denkenden Finanzminister Giovanni Tria und beschließt einen Haushaltsplan, der für 2019 eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent des BIP vorsieht. Mit der EU waren ursprünglich 0,8 Prozent abgesprochen. Das bringt Italien und damit den Euro einen Schritt näher an den Abgrund heran. Denn Rom dürfte nun für seine Schulden höhere Risikoaufschläge zahlen müssen, die Rating-Agenturen könnten das Land weiter herabstufen. Was dann wiederum zu höheren Zinsen und noch mehr Schulden führt.

Lega-Führer Matteo Salvini, der halbstarke Mann der Regierung, tut solche Befürchtungen mit der Bemerkung ab, das Glück der Italiener sei ihm wichtiger als irgendwelches Zahlen-Klein-Klein. Dabei wird er wissen, dass es die Italiener sein werden, insbesondere die jungen, die für diesen Haushalt der Hasardeure künftig bezahlen werden.

Noch aber hat die EU-Kommission ein Wort mitzureden. Rom muss ihr den Haushaltsplan vorlegen. Die Behörde hat dann zwei Möglichkeiten. Sie kann den Etatentwurf nach kleineren Korrekturen durchwinken, weil sie in der schwierigen Lage, in der Europa steckt, keinen Großkonflikt mit dem wichtigen EU-Gründerland Italien ausfechten will. Die Populisten in Rom werden dann triumphieren und anderen in der EU die Botschaft vermitteln: Frechheit siegt. Bleibt Brüssel dagegen hart und besteht auf einem seriösen Etat, werden die Sterne und die Lega schreien, Europa knechte die Italiener und hindere die Regierungsparteien daran, ihre Wahlversprechen zu erfüllen.

Wie auch immer also Brüssel entscheidet - es dürfte den Populisten in Italien noch mehr Stimmengewinne bringen. Das wissen sie, das wollen sie. Und dafür verspielen sie die Zukunft ihres Volkes.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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