Italien:Gift des Populismus

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Mit Ahnungslosigkeit und Arroganz treiben Lega und Cinque Stelle das Land in die wirtschaftliche und politische Isolation. Dennoch haben die Parteien bei der Europawahl gute Chancen.

Von Ulrike Sauer

Italien? Nein, danke! Sich auf eine streitsüchtige Regierungskoalition einlassen, die Europas wichtigstes Schuldenland immer unsicherer macht? Bloß nicht! So denken und handeln immer mehr Menschen, wenn es um ihr Geld geht. Vor einer Woche war Blackrock an der Reihe: Der größte Finanzinvestor der Welt sprang überraschend als Käufer der Krisenbank Carige ab. Den Anlageprofis in New York erschien das Italien-Risiko angesichts von Nullwachstum und steigenden Schulden zu groß. Nun wird die römische Regierung wohl die Steuerzahler zur Rettung der Sparkasse verdonnern.

Der Rückzieher von Blackrock ist kein Einzelfall. Auch bei Alitalia zogen sich potenzielle Investoren zurück. Dass bei der konkursreifen Fluggesellschaft jemand unter dem Kommando der nationalistischen Regierung aus Lega und Cinque Stelle in die Bresche springen mag, ist kaum vorstellbar. Die Koalitionäre liebäugeln nun mit einer Rückverstaatlichung.

Die Fluchtbewegung aus Italien trifft vor allem den Staat selbst. Ausländische Anleger stießen in den vergangenen Tagen verstärkt römische Staatsanleihen ab und trieben damit die Zinsen in die Höhe. Ausgelöst hatte die Verkaufswelle Lega-Chef Matteo Salvini mit seinem Wahlkampfgepolter: "Es ist meine Pflicht, die EU-Regeln zu durchbrechen", sagte der Innenminister. Er sei gezwungen, das Haushaltsdefizit auf mehr als drei Prozent zu erhöhen. Auch ein Anstieg der Schuldenquote auf mehr als 140 Prozent sei geboten. Das ist zwar nur Propaganda. Doch sie ist teuer. Der Zinsanstieg seit Regierungsantritt vor einem Jahr kostet Italiens Steuerzahler vier Milliarden Euro. Diese Summe hat die Koalition 2019 bei den ohnehin vernachlässigten Schulen eingespart.

Mit Ahnungslosigkeit und Arroganz treibt die Regierung das Land in die Isolation

Zur Europawahl präsentieren sich Salvini und der Cinque-Stelle-Chef Luigi Di Maio mit einer desaströsen Wirtschaftsbilanz. Mit ihrer Idee, das Wachstum durch eine expansive Haushaltspolitik anzukurbeln und so die exorbitante Schuldenquote zu drücken, scheiterten die Hasardeure an der Realität. Sie haben den Aufschwung abgewürgt. Die EU-Kommission rechnet 2019 mit 0,1 Prozent Wachstum für Italien, das damit in Europa weit abgeschlagen auf dem letzten Platz liegt. Die Finanzlage ist bedrohlich. Finanzminister Giovanni Tria gibt an der Seite der Krawallbrüder Salvini und Di Maio eine hilflose Vorstellung ab. Die Rivalität der Koalitionsparteien im Dauerkonflikt blockiert das Land. Das Fazit liegt auf der Hand: Es gibt sie nicht, die versprochenen einfachen Lösungen. Mit ihrer Ahnungslosigkeit und Arroganz haben Lega und Cinque Stelle die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt in die Isolation getrieben. Der Internationale Währungsfonds bezeichnet Italien als Risiko für die Weltwirtschaft.

Die Italiener zahlen einen hohen Preis für den Schwindel der Populisten - doch der Bluff fliegt nicht auf. In den Umfragen vor der Europawahl liegen die Koalitionsparteien mit großem Vorsprung vorn. Was ist da los? Warum stimmen die Italiener nicht mit dem Portemonnaie ab? Das Gift des Populismus zeigt im drittgrößten Euroland eine verheerende Wirkung. Aber es tut offenbar noch nicht genug weh. So traurig es ist, das wird sich bald ändern. Ist die Regierung bis dahin nicht auseinandergebrochen, wird die Pein spätestens im Oktober unerträglich: Dann muss Rom 35 bis 40 Milliarden Euro auftreiben, um die Haushaltslöcher 2020 zu stopfen. Andernfalls drehen die Anleger Italien den Geldhahn ab.

© SZ vom 17.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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