Italien:Ein Phantom bekommt Kontur

Premier Conte emanzipiert sich.

Von Oliver Meiler

Seit Giuseppe Conte italienischer Ministerpräsident ist, wird er in den Medien als Phantom belächelt, als machtloser Statthalter. Die wirklich starken Männer sind seine Stellvertreter: Matteo Salvini, Chef der rechten Lega und Innenminister, und Luigi Di Maio, Capo politico der Cinque Stelle und Arbeitsminister. Die beiden Vizepremiers geben alles vor: Politik, Stil und Ton. Conte ging bisher stets unter, er wurde niedergedröhnt von den Populisten.

Nun aber hat sich der Anwalt und Professor, der vor einem halben Jahr überraschend Premier wurde, emanzipiert. Im Haushaltsstreit mit der EU führte er die italienische Delegation an - wie ein richtiger Regierungschef. Conte brachte Zahlen nach Brüssel und ließ die Ideologie daheim. Man sah ihn nett lächeln in Gesellschaft von Herrschaften, die von Salvini und Di Maio als Trunkenbolde oder Terroristen beschimpft worden waren.

Conte gelang es, den Riss mit Charme und etwas Vernunft zu kitten. Dafür erhält er viel Lob, von überall. War ja nicht leicht, und die Zeit drängte. Das Phantom bekommt also Konturen, Conte blüht auf in seiner neuen Rolle. Aber lässt man ihn gewähren? Salvini ärgert sich offenbar darüber, dass der vorgeschobene Premier plötzlich wirklich den Premier gibt. Dabei ist das die beste Nachricht aus Italien seit geraumer Zeit.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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