Italien:Der Schmerzensmann

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Wirtschaftsminister Tria hat in Italiens spendierfreudiger Populisten-Regierung einen schweren Stand, seine Beziehung zum Rest der Ministerriege wird als "frostig" beschrieben. In Rom fragen sich viele, wie lange er noch durchhält.

Von Oliver Meiler, Rom

Manchmal erklärt Satire mehr als lange Analysen. Etwa im Fall von Giovanni Tria, dem parteilosen italienischen Wirtschafts- und Finanzminister. Der berühmte Komiker und Imitator Maurizio Crozza, der in seinen oftmals brillanten TV-Sketchen das politische Personal des Landes persifliert, unter Einbeziehung von Maske und Accessoires, spielt Tria neuerdings fast täglich. Der Minister erscheint da als Professor im ständigen Zwiespalt zwischen volkswirtschaftlicher Vernunft und aufgezwungenem Wahnsinn - als Geisel der Populisten. Er wiederholt also alle Parolen von Lega und Cinque Stelle im Haushaltsstreit mit Brüssel, schüttelt dazu aber immerzu den Kopf, mit weit aufgerissenen Augen, und flüstert ganz leise: "Holt mich hier raus." Da muss sich einer jeden Tag verbiegen.

In Italien wird nun wieder darüber spekuliert, dass der römische Wirtschaftsprofessor sein Amt niederlegen könnte - endgültig zermürbt von den taktischen Spielchen seiner Kabinettskollegen. Am jüngsten Regierungsgipfel zum Haushalt hat er gar nicht teilgenommen, was für einen Schatzminister doch recht ungewöhnlich ist. Die Zeitung Corriere della Sera schreibt über die Beziehung Trias zum Rest der obersten Ministerriege: "Die große Kälte hat nun sibirische Werte erreicht." Die Repubblica gebraucht ein ähnliches Bild und spricht von "Frost".

Würde Tria tatsächlich in den kommenden Tagen zurücktreten, mitten in der laufenden Parlamentsdebatte über den Etat für 2019, wäre das ein harter Schlag für die ohnehin schon angeschlagene Glaubwürdigkeit Italiens an den Märkten und bei den europäischen Partnern. Ein Rücktritt wäre aber auch unlogisch, gerade jetzt, wo Tria die beiden Vizepremiers Matteo Salvini und Luigi Di Maio endlich zur Räson gebracht hat, ein bisschen wenigstens. Sie haben signalisiert, dass sie bei der geplanten Neuverschuldung um einige Dezimalstellen nachgeben werden, so wie es Tria immer gefordert hatte. Um wie viel genau, ist noch immer nicht klar.

Im Haushaltsstreit kommt Rom der EU nun offenbar entgegen - ein kleines bisschen zumindest

Vorgesehen war mal ein Defizit von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - drei Mal so viel wie einst mit der EU vereinbart. Nun sieht es so aus, als seien Salvini und Di Maio bereit, die Ausgaben für ihre wichtigsten Wahlversprechen, die Rentenreform respektive den Bürgerlohn, um je rund 2,5 Milliarden Euro zu stutzen. Damit wäre man dann bei einer Neuverschuldung von 2,1 Prozent. Das reicht aber nicht aus: Brüssel erwartet wohl eine Senkung auf 1,9 Prozent. Die Quote wäre ganz im Sinn Trias, der hatte immer ein Defizit von unter zwei Prozent der Wirtschaftsleistung angemahnt. Und genau das ist das Problem: Salvini und Di Maio finden, der Minister habe die Karten viel zu früh offengelegt. Es ist wie beim Pokern: Man hätte Brüssel ganz gerne noch etwas länger hingehalten.

Nun soll Premier Giuseppe Conte alleine mit der EU verhandeln und mit einem Kompromiss möglichst verhindern, dass ein Defizitverfahren gegen Italien eingeleitet wird. Und Tria? Der wusste von Anfang an, dass sein Posten ein besonders zentraler und ausgestellter sein würde. An seiner Stelle war der Europa- und Euro-Kritiker Paolo Savona vorgesehen gewesen, ebenfalls Wirtschaftsprofessor, vorgeschlagen von der Lega. Der 80-jährige Savona war als Provokation gedacht, als kämpferische Botschaft an die Adresse Brüssels. Italiens Staatspräsident drängte stattdessen auf Giovanni Tria, dieser sollte das Ausland beruhigen. Das gelang ihm zwar nicht, die Verunsicherung an der Börse wuchs. Doch am Ende hat es den Anschein, als setze sich die vernünftige Linie durch.

Die Fünf Sterne finden trotzdem, Tria müsse weg. Und zwar sofort. Er wäre ein idealer Sündenbock. Sie konnten ihn nie leiden, weil er ihnen zu rigoros ist. Als der Finanzminister Di Maio einmal klargemacht hatte, dass das Geld in der Kasse einfach nicht ausreichen würde für alle schönen Verheißungen der Cinque Stelle, ging der junge "Capo politico" der Bewegung ins Fernsehen und sagte: "Was ist denn das für ein Finanzminister, der die Ressourcen in der Kasse nicht findet?"

Als wäre es eine Ostereiersuche. Es sind eben ergiebige Zeiten für Italiens Satiriker.

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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