Italien:Blitze, Donner und fünf Sterne

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Beppe Grillo meldet sich zurück - seine Protestpartei geht stürmischen Zeiten entgegen.

Von Oliver Meiler, Rom

Politische Spots sind ein besonderes Genre: In Ermangelung eines leicht fassbaren Produktes bedienen sich Politiker in der Schublade schwerer Metaphern. Beppe Grillo, der Gründer von Italiens erfolgreicher Protestpartei Movimento Cinque Stelle, hat nun einen sonderbaren Spot gedreht und auf seinen populären Blog gestellt. Und da es für Grillo eine Rückkehr nach Monaten selbst auferlegter politischer Abstinenz ist, kommt dem Clip durchaus Relevanz zu. Setting: der leere Strand von Cesenatico an der Adria, am Abend. Stimmung: schwarzer Himmel, kurz vor einem Sturm. Beppe Grillo, einst Komiker und 68 Jahre alt, lässt die Haare drei Minuten im Wind flattern. Die Botschaft? Nun ja, stürmisch bis erratisch.

Hier der Beginn von Grillos Ansprache: "Es kommt ein Unwetter, mit Blitzen", sagt Grillo. "Wir sind am Meer, da vorne ist der Horizont. Und jenseits des Horizonts - die Utopie des Movimento Cinque Stelle. Es ist ein wunderbarer Sturm, der da kommt. Hört ihr ihn schon? (. . .) Wir verändern die Dinge, das Klima verändert sich. (. . .) Das kommt auf uns zu im September, Oktober, November: Blitze, Donner, Stürme. Doch wir werden Schirme haben, und Regenjacken, wir werden unbeschädigt durch alles hindurchkommen." Er sei wieder da - stärker denn je.

Konkreter wird Grillo nicht, den Inhalt zu den Bildern muss man sich zusammenreimen. Wahrscheinlich meint er, Italien stünden schwere Stunden bevor, wegen der Rettung insolventer Banken, wegen der andauernden Wirtschaftskrise und der Flüchtlingsströme. Wahrscheinlich will er auch suggerieren, dass Matteo Renzi im Herbst das Referendum über die Verfassungsreform verlieren und als Premier zurücktreten könnte - unter Blitzen und Donnern. Nach diesem ganzen Chaos, würden dann seine Fünf Sterne leuchten als nunmehr einzige Alternative zur "Kaste", zur bösen politischen Elite. Doch das alles sagt er nicht, man liest es nur aus den Metaphern.

Dass in seiner eigenen Partei jedoch auch nicht alles eitel Sonnenschein ist, sagt Grillo nicht. Man muss jedoch davon ausgehen, dass Grillo nur deshalb wieder aktiv wird, weil die Cinque Stelle gerade eine heikle Phase durchlaufen, gewissermaßen einen Sturm. Das Auge dieses Orkans dreht über dem Kapitol, wo seit zwei Monaten eine "Grillina" regiert: Virginia Raggi, Roms neue Bürgermeisterin. Die 38-jährige Anwältin ist nun die wichtigste Politikerin der Bewegung, sie soll beweisen, dass die Cinque Stelle fähig sind, etwas so Großes und Kompliziertes wie Rom zu regieren. Um sich dadurch für etwas noch Größeres und noch Komplizierteres zu empfehlen, für die Regierung von ganz Italien.

Rom ist das Schaufenster der Cinque Stelle, peinlich gut ausgeleuchtet. Den Medien und der Opposition entgeht keine Unzulänglichkeit. Und Raggi hatte keinen guten Start, das lässt sich schon vor Ablauf der Schonfrist von hundert Tagen sagen. Einige ihrer Personalentscheide sind fragwürdig, wenn nicht gar anrüchig: Sie berief jene Paola Muraro zur Stadträtin für Umwelt, die in den vergangenen zehn Jahren als Beraterin der städtischen Müllabfuhr Ama mehr als eine Million Euro verdiente. Muraro war mitverantwortlich für das Debakel in der Abfallentsorgung, die ihr nun indirekt untersteht. Seit Kurzem prüft die Staatsanwaltschaft, ob sich Muraro während der Beratungstätigkeit auch direkte Verfehlungen zuschulden kommen ließ, etwa bei der Auftragsvergabe. Und Rom versinkt derweil weiter im Müll, schlimmer noch als vor Raggis Wahl.

Bekommt die Bürgermeisterin die Ama und die ebenso defizitären Verkehrsbetriebe Atac nicht schnell in den Griff - was objektiv schwierig ist nach Jahren der Korruption und des Missmanagements - dann könnten viele Römer bald sagen: "Politiker sind eben doch alle gleich." Für die Fünf Sterne wäre das der perfekte Sturm, die Entzauberung ihrer Protestbewegung. Darum ist Grillo nun zurück. Seinen jungen Statthaltern im Parlament, Luigi Di Maio und Alessandro Di Battista, fehlt es noch am Charisma, das die Partei tragen könnte. Und offenbar sind auch deren Kassen leer.

Im Clip vom Strand in Cesenatico wird diesem leidigen Thema fast ebenso viel Zeit beigemessen wie dem angeblich donnernden Klimawandel in der italienischen Politik. "Wir brauchen etwas mehr Solidarität", sagt Grillo, "es sollten nicht immer dieselben Zehntausend sein, die dreißig oder vierzig Euro einzahlen." Nur wenn mehr Mittel für die Cinque Stelle zusammenkämen, ließen sich Veranstaltungen wie jene Ende September in Palermo finanzieren. Dann will sich das Volk der Cinque Stelle am Meer in Sizilien treffen. Es soll ein großer Anlass werden, mit Reden, internationalen Gästen und Visionen. Beppe Grillo sagt: "Das Meer ist Befreiung, ist Utopie, ist Horizont." Wenn es dann einmal im September nur nicht regnet und stürmt, blitzt und donnert.

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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