Italien: Berlusconi:Das Private als Politikum

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Silvio Berlusconi hat sein Intimleben einst dreist vermarktet. Und wer Wein, Weib und Gesang mit Regierungs-PR verwechselt, muss mit den Folgen leben - auch politisch.

Hans-Jürgen Jakobs

Es gibt über den italienischen Unternehmer, Entertainer und Politiker Silvio Berlusconi, 72, viele Geschichten, denen es an Saft und Kraft nicht fehlt. Einmal, im Parlaments-Wahlkampf 2006, kündigte er tatsächlich einem Priester an, sich zweieinhalb Monate bis zum Urnengang im April "in totaler sexueller Abstinenz" zu üben, woraufhin er kirchlichen Segen im Kampf gegen die Linken erhielt.

Silvio Berlusconi hat es mit seiner Nähe zu Show und Showgirls geschafft, an eine alte Losung der 68er zu erinnern: Das Private ist politisch. (Foto: Foto: AP)

Der rechtspopulistische Politiker schreckte in seiner jahrelangen Kleinarbeit zur Hebung seiner persönlichen Macht und seines Egos nie vor der Ausbeutung des Persönlichen zurück. Das Intime machte Berlusconi, Italiens Großherrscher über das Privatfernsehen sowie über Klatschblätter à la Chi, geradezu zu seiner Sache.

Deshalb mutet es jetzt grotesk an, wie er gegen einen Fotografen kämpft, der Hunderte Bilder im Umfeld des Berlusconi-Anwesens auf Sardinien knipste. Das inzwischen vom Staatsanwalt beschlagnahmte Material soll viele junge Mädchen im Bikini oder topless zeigen, dazu Freunde wie den Sänger Mariano Apicella, mit dem der Ministerpräsident gerne öffentlich ein Lied anstimmt.

Auch die inzwischen 18-jährige Neapolitanerin mit dem Botticelli-Blick, über deren Beziehung zu Berlusconi das Land rätselt, will ja oft mit ihm gesungen haben. Wie privat kann ein Politiker sein, der sich mit so viel Liebe vor dem Volk entblößt - ein Selbstdarsteller, der in den Medien das Bild des allzeit bereiten, lebenslustigen Machers inszeniert und alle teilhaben ließ, wie er abhob vom Boden des Palazzo Chigi in Rom in die Sphären vorgeblicher Unangreifbarkeit? Die Antwort ist einfach: Er kann es nicht.

Wer sich mit allen Mitteln vermarktet und so gern zur Schau stellt, hat die Maßstäbe selbst verschoben. Wer Wein, Weib und Gesang mit Regierungs-PR verwechselt, kann nicht damit rechnen, eines Tages im Pantheon mit einer Büste als Staatsmann geehrt zu werden.

"Eine italienische Geschichte"

Zu Beginn seiner Karriere hatte Aufsteiger Berlusconi seine Familie noch als soziale Mustereinheit ausgestellt. Ein Glanzheft mit seiner Biographie - Titel: "Eine italienische Geschichte" - ließ er 1994 an alle Haushalte verteilen. Seine Frau, seine Kinder, sein Haus - alles wirkte so harmonisch. Dass die damalige Vorzeigefrau heute laut über seine Frauengeschichten klagt und die Scheidung einreicht, passt nicht mehr zur Legende. Das ist, kurz vor der Europawahl, zum innenpolitischen Zwist geworden.

Seitdem geht es in Italien zu wie einst zu Bill Clintons Zeit in den USA. Lügt der Regierungschef? Da kann eine Fotoserie über Partys womöglich besser Auskunft geben als schwülstige Bekenntnisse. Auch deutet die Tatsache, dass Berlusconi seine Entourage teils per Regierungsjet nach Sardinien fliegen ließ, darauf hin, dass die rauschenden Gartenfeste so unöffentlich nicht waren.

Und so hat es der Präsident mit seiner Nähe zu Show und Showgirls am Ende geschafft, an eine alte Losung der 68er zu erinnern: Das Private ist politisch.

© SZ vom 03.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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