Israel:Reifeprüfung auf dem Weg zur Macht

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Israels Regierungschef Olmert tritt ab. Außenministerin Livni will Regierungschefin werden, doch die politische Konkurrenz schmiedet schon Intrigen.

Thorsten Schmitz, Tel Aviv

Der israelische Premierminister Ehud Olmert hat am Sonntag zu Beginn der Kabinettssitzung angekündigt, dass er von seinem Amt zurücktreten werde. Zuvor hatte er Außenministerin Tzipi Livni für die Wahl zur neuen Vorsitzenden der Regierungspartei Kadima gratuliert. Olmert hatte der Urwahl zugestimmt, weil gegen ihn sechs Ermittlungsverfahren wegen Korruption und Bestechung laufen. Olmert sagte, der Rücktritt nach 33 Monaten im Amt falle ihm nicht leicht. "Aber ich denke, ich handle damit auf verantwortliche Weise, wie ich es der israelischen Öffentlichkeit versprochen habe." Am Abend sollte Olmert Staatspräsident Schimon Peres ein entsprechendes Schreiben überreichen, wodurch der Rücktritt innerhalb von 48 Stunden wirksam würde.

Zivni und Olmert: Amtsübergabe mit Problemen (Foto: Foto: AFP)

Olmert wird noch so lange geschäftsführend im Amt bleiben, bis Livni eine Koalition gebildet hat. Ihr bleiben dafür maximal sechs Wochen, nachdem sie von Peres mit der Regierungsbildung beauftragt worden ist. Livni möchte die derzeitige Koalition gerne fortsetzen, der außer Kadima noch die Arbeitspartei, die ultra-orthodoxe Schas und die Pensionärspartei angehören. Zur Not würde sie aber auch eine Große Koalition bilden.

"Ungeheuerlicher Vorgang"

Die Chancen, dass Livni eine Neuauflage der alten Regierung gelingt, schwanden am Wochenende. Ausgerechnet Verteidigungsminister Ehud Barak, Chef der Arbeitspartei, fiel Livni mit dem Ruf nach einer Großen Koalition in den Rücken, der dann auch der Likud von Oppositionsführer Benjamin Netanjahu angehören soll. Barak und Netanjahu hatten sich zur Überraschung der Mitarbeiter Livnis in der Nacht zu Sonntag getroffen. Livnis Assistenten sprachen von einem ungeheuerlichen Vorgang, da Barak die Wahlsiegerin noch nicht getroffen hatte. Dabei hatte Barak die Urwahl in der Kadima-Partei forciert.

Vor drei Monaten hatte er Regierungschef Olmert ultimativ aufgefordert, zurückzutreten, ansonsten werde die Arbeitspartei die Koalition verlassen. Damals noch hatte Barak erklärt, er werde mit jedem neuen Vorsitzenden der Kadima zusammenarbeiten und halte Neuwahlen nicht für notwendig.

Inzwischen hat der frühere glücklose Premierminister seine Meinung offenbar geändert. Der bekannteste israelische Kolumnist der Tageszeitung Jediot Achronot, Nachum Barnea, schrieb am Wochenende, Barak und Netanjahu wollten mit allen Mitteln verhindern, dass Livni Premierministerin wird - weil beide selbst das Amt anstrebten. Barnea argumentiert, Barak sträube sich gegen die Vorstellung, unter einer Premierministerin Livni zu arbeiten. Livni gilt derzeit als populärste Politikerin in Israel und Barak fürchte, dass ihr guter Ruf, sollte sie erst einmal regieren, noch besser werde. Verweigert sich Barak andererseits einer Koalition mit der Kadima-Partei, und würde Livni mit der Regierungsbildung scheitern, gäbe es spätestens im Frühjahr Neuwahlen. Die Arbeitspartei käme dabei Umfragen zufolge am schlechtesten weg, der Likud würde gewinnen und Kadima die zweitstärkste Fraktion im Parlament stellen.

Livni hat am Wochenende bereits Gespräche mit Vertretern diverser Knessetfraktionen geführt. Sie könnte eine links-liberale Koalition bilden, etwa durch die Aufnahme der Meretz-Partei. Doch dies entspräche nicht der vorherrschenden Stimmung in der israelischen Gesellschaft, die den Glauben an den Friedensprozess zunehmend verliert. Livni appellierte daher am Wochenende an Verkehrsminister Schaul Mofas, sich an der Regierung zu beteiligen. Mofas hatte am Freitag überraschend eine Auszeit von der Politik angekündigt. Mofas war Armee-Chef und Verteidigungsminister und könnte Livnis Regierung Kompetenz in Sicherheitsfragen verleihen und dadurch zu mehr Stabilität verhelfen. Sollte Livni das Intrigenspiel politisch überleben, so Kolumnist Barnea, hätte sie die erste Reifeprüfung für das Amt der Premierministerin bestanden.

© SZ vom 22.09.2008/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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