Israel:Neuer Gewaltausbruch im Nahen Osten

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Drei Tage nach der Parlamentswahl ist es in Israel zu einer regelrechten Explosion der Gewalt gekommen: ein Selbstmordattentäter tötete vier Israelis, die israelische Luftwaffe griff im Gaza-Streifen an und rivalisierende Palästinensergruppen lieferten sich heftige Kämpfe.

Thorsten Schmitz

Der 24 Jahre alte palästinensische Selbstmordattentäter hatte sich als orthodoxer Jude verkleidet und war als Anhalter von jüdischen Siedlern im Auto mitgenommen worden.

Nahe der jüdischen Siedlung Kedumim im nördlichen Westjordanland zündete der Attentäter den Sprengsatz, den er umgeschnallt hatte, und riss die vier Fahrzeuginsassen mit in den Tod. Zu dem Anschlag bekannte sich die Terrormiliz Al-Aksa-Brigaden, die der Fatah-Organisation von Präsident Machmud Abbas nahe steht.

Es war der Erste der Al-Aksa-Brigaden seit Beginn eines informellen Waffenstillstands im Februar 2005.

Abbas, der sich zu Gesprächen in Südafrika aufhält, verurteilte den Anschlag. Die neue Hamas-Regierung nahm zunächst nicht Stellung. Israels Regierungssprecher David Baker sagte, die Palästinenserregierung unternehme nichts, um Selbstmordanschläge zu verhindern.

Die israelische Luftwaffe flog wenige Stunden später Vergeltungsangriffe auf Ziele im Gaza-Streifen, unter anderem auf Rampen, die für den Abschuss von Raketen dienen, auf eine Brücke und auf ein Trainingslager der Hamas. Verletzt wurde dabei niemand.

Hanija geißelt "Rassismus"

Am Freitag wurde ein Führer der palästinensischen Terrorgruppe "Komitee des Volkswiderstands" bei der Explosion seines Autos im Gaza-Streifen getötet. Die Gruppe wird von Israel für zahlreiche Raketenangriffe verantwortlich gemacht. Augenzeugen berichteten, das Auto des Komitee-Führers Abu Jussef Abu Kuka sei zu Beginn der Freitagsgebete neben einer Moschee explodiert.

Zunächst beschuldigte ein Sprecher des "Komitees des Volkswiderstands" Israel. Die israelische Armee bestritt eine Beteiligung. Später warfen Mitglieder des Komitees den palästinensischen Sicherheitskräften vor, in den Anschlag verwickelt zu sein. Bei der Pressekonferenz kam es zu Schusswechseln. Nach der Beerdigung Abu Kukas entbrannte ein Gefecht, bei dem drei Menschen starben.

In einem Beitrag für die britische Zeitung The Guardian, der am Freitag veröffentlicht wurde, warf der neue palästinensische Regierungschef Ismail Hanija dem Westen "Rassismus und Doppelmoral" vor. Er schrieb, das palästinensische Volk habe das "Recht, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln" gegen die israelische Besatzung zu kämpfen. Seit dem Wahlsieg der Hamas habe der Westen die Organisation mit Forderungen konfrontiert, ohne Israel in die Pflicht zu nehmen.

Der von Israel geplante einseitige Teil-Abzug aus dem Westjordanland sei jedoch "eine Anleitung zum Konflikt", schrieb Hanija. Nicht die palästinensischen Gruppen seien das Problem, sondern dass Israel den Palästinensern "die grundlegenden Menschenrechte" vorenthalte. Die Hamas sei für Frieden und halte sich seit einem Jahr an eine Waffenruhe, "ohne dass Israel das auch tut". Die Palästinenser hätten die "rassistische Sicht des Westens satt".

In der Nacht zu Freitag wurde das offizielle Ergebnis der israelischen Parlamentswahlen bekannt gegeben. Demzufolge hat die Kadima-Partei des amtierenden Regierungschefs Ehud Olmert einen Sitz mehr gewonnen als ursprünglich angenommen. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kommt Kadima auf 29 der 120 Mandate im Parlament.

Auch der rechte Likudblock unter Führung des früheren Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erhielt einen weiteren Sitz und wird künftig mit zwölf Abgeordneten in der Knesset vertreten sein. Die linke Meretz-Partei erhielt ebenfalls einen weiteren Sitz und hält nun fünf Mandate. Die ultra-orthodoxe Schas-Partei und die Gruppierung der russischen Immigranten, "Israel, unser Zuhause" von Avigdor Lieberman, mussten je einen Sitz abgeben und sind nun mit je elf Abgeordneten im Parlament vertreten.

© SZ vom 01.04.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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