Islamistische Propaganda:Die Hass-Agentur im Internet

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Geneigten Gotteskriegern bietet das Internet ein vielfältiges Programm: Al-Qaida-Propaganda, brennende US-Soldaten, verzweifelte Geiseln. Deutsche Fahnder wollen den islamistischen Terroristen jetzt im Netz auf die Spur kommen.

Annette Ramelsberger

Es ist ein vielfältiges Programm, das der geneigte Gotteskrieger sich im Internet herunterladen kann, um ein wenig Anregung zu finden. Zum Beispiel bietet die Seite der "Global islamischen Medien-Front" gerade eine Videosequenz an, in der islamistische Aufständische im Irak einen Panzerwagen sprengen.

Die Bilder werden unter der launigen Überschrift präsentiert: "Aus der Reihe: Das Verbrennen der Römer und Abtrünnigen in Mesopotamien (Irak)." Falls dem Gotteskrieger zu Hause am Computer eher nach religiöser Erbauung zumute ist, kann er sich 40 Minuten lang Osama bin Ladens Stellvertreter ansehen, der ihm erklärt, wie er am besten seinen inneren Widerstand überwindet, um in den Heiligen Krieg zu ziehen.

Oder er schaut sich zur Abwechslung an, wie eine verzweifelte deutsche Mutter aus dem Irak an Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert, "irgendetwas zu tun", damit die Entführer ihren Sohn nicht vor ihren Augen töten. Nicht weit entfernt knallen Gewehrschüsse, die einen zusammenzucken lassen.

Die Seite der "Global islamischen Medien-Front" ist beliebt. "Die Leute weisen sich per E-Mail gegenseitig darauf hin, dass sie bestimmte Videos auf keinen Fall versäumen dürfen", sagt ein Verfassungsschützer, der die deutschen Islamisten seit Jahren beobachtet. "Fast so, wie man Freunde darauf aufmerksam macht, dass im Fernsehen eine gute Sendung läuft."

Das Video mit den beiden deutschen Geiseln und die Anschlagsdrohungen gegen die deutsche und österreichische Regierung, wenn sie ihre Truppen nicht aus Afghanistan abziehen, sind dabei gar nicht so begehrt.

Viel interessanter findet es die Gemeinschaft der Internet-Krieger, wenn aktive Kämpfer zeigen, wie raffiniert sie im Irak hinter einem Verkehrsschild eine Bombe gelegt haben - nicht zu entdecken für die Sicherheitskräfte. Daraus kann man lernen.

Wettrennen um die Welt

Die Hass-Agentur im Internet gibt es seit Herbst auch auf Deutsch - der Dschihad, zielgenau ausgerichtet für den Gotteskrieger zwischen Kiel und Klagenfurt.

Die Seite der "Global islamischen Medien-Front" bietet eine Art "Das Beste vom Terror", unter gekreuzten Kalaschnikows kann man sich dort ansehen, wo überall im Namen Allahs gemordet, entführt, geschossen wird. "Es gibt genügend junge Wilde, die sich davon angesprochen fühlen", sagt ein Sicherheitsexperte.

Weil die Islamisten aufrüsten, hat der Staat nachgezogen. Eine ganze Recherche-Einheit arbeitet seit dem 2. Januar im Berliner Terrorabwehrzentrum, um den Terroristen im Netz auf die Spur zu kommen. 25 Islamwissenschaftler, Verfassungsschützer, Juristen und Internetexperten surfen jeden Tag durchs Netz - bald schon sollen es doppelt so viele sein.

Sie sollen Anschlagspläne entdecken, sollen herausfinden, wer die Leute hinter den Videos sind, die die Bundesregierung bedrohen. Sie sollen zurückverfolgen, wo und von wem die Botschaft ins Netz gestellt wurde.

Nur ist das nicht so einfach, wie das in James-Bond-Filmen aussieht. In "Golden Eye" schaffte es eine clevere russische Computerspezialistin mit ein paar Mausklicks, ihren Widersacher rund um den Globus zu verfolgen - von Rechner zu Rechner, bis sie direkt auf seinem Computer landete.

So etwas hätten die Experten vom Internet-Zentrum der Regierung auch gern. Noch geht es nicht ganz so schnell wie im Film. "Aber wir bemühen uns", sagt der Chef. Denn jedes Video, jede Nachricht hinterlässt eine Spur im Netz, auch wenn sich die Internet-Krieger noch so sehr um Anonymität bemühen.

So wissen die Internetfahnder auf jeden Fall: Über einen Thüringer Rechner liefen die Islamisten-Videos nicht. Das hatte eine Hamburger Internetfirma diese Woche behauptet.

Terrorbotschafter können in Pakistan und Niedersachsen sitzen

Die Terror-Botschafter können in einer Koranschule in Pakistan sitzen oder an der Universität Wien, in einem Internetcafé in der Karibik oder in Georgsmarienhütte in Niedersachsen.

In der Kleinstadt nahm die Polizei im Oktober einen Familienvater fest, der dort seit Jahren mit Frau und drei Kindern lebt. Der Iraker ging einer aufwendigen Beschäftigung nach: Er stellte Hassbotschaften ins Internet und ermöglichte den Zugang auf Terror-Seiten. Sein Computer wurde beschlagnahmt - die Bundesanwaltschaft hat die Anklage gegen den Mann mittlerweile auf 40 Fälle erweitert.

Doch nur selten finden sich die Beweise auf dem heimischen Computer. "Die Täter verschlüsseln ihre Daten und lagern sie dann irgendwo im Internet aus", sagt der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke. In den Weiten des Netzes könnten die Fahnder sie nie mehr aufspüren. Ziercke dringt deswegen auf die höchst umstrittene Online-Durchsuchung der Computer von Verdächtigen: Unbemerkt sollen die Fahnder dabei sein, wenn die Täter ihre Hass-Botschaften stricken.

Die Propaganda der Gotteskrieger ist auf breiter Front professioneller geworden. "Früher wurde das alles eher chaotisch im Internet angeboten", sagt ein Mitarbeiter des Internet-Recherche-Zentrums in Berlin. "Heute wird das alles viel zentraler verbreitet - über wenige Internetseiten, die der Kundige relativ einfach erreichen kann."

Dort werden die neuesten Bekenntnisse, Sprengungen oder Entführungsvideos präsentiert. In der ersten Liga spielt die Medienproduktion "As-Sahab", die regelmäßig die Videos von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden oder dessen Stellvertreter Aiman al-Zawahiri aufnimmt, oder "al-Furqan", die die Kämpfer aus dem Irak ins rechte Licht setzt. "Es gehört heute zum guten Ton, dass ein Kameramann beim Anschlag dabei ist", sagt der Leiter der Berliner Internettruppe. "Der sucht sich dann auf einem Hügel ein schönes Plätzchen und wartet, bis seine Leute zuschlagen."

Und es bilden sich selbst bei diesen Bildern des Terrors unterschiedliche Moden heraus. Eine Zeitlang war das Video besonders begehrt, auf dem der Terrorist Abu Mussab al-Sarkawi dem jungen Amerikaner Nicholas Berg eigenhändig den Kopf abschnitt - eine Minute und 40 Sekunden lang. Beliebt sind auch die Abschiedsvideos von Selbstmordattentätern. Bevor sie in den nächsten amerikanischen Militärkonvoi rasen, tätscheln sie vor der Kamera noch einmal die Gasflasche auf dem Beifahrersitz.

Auch Terroristen haben ihren Stolz. Nicht nur darauf, welche Anschläge sie verübt haben. Auch darauf, wie gekonnt sie das dann präsentieren. Solche Eitelkeit kann verführerisch sein. So gab der Administrator der "Global islamischen Medien-Front" vergangenes Jahr Reportern von Spiegel-TV ein Interview, in dem er vermummt von seiner Arbeit berichtete, und stellte das Video auch noch auf seine Seite.

So etwas durfte der Terrorgemeinde nicht vorenthalten werden. Die Eigen-PR aber könnte dem Mann noch Probleme bereiten: Schon arbeiten Fahnder daran, durch Stimmvergleiche Ähnlichkeiten zu finden - zwischen dem stolzen Internet-Krieger und dem Video, auf dem Wien und Berlin nun mit Anschlägen gedroht wird.

© SZ vom 24.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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