Iran/USA:Eskalation in Zeitlupe

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Um das Atomabkommen noch zu retten, wird es wieder eines Kabinettsstücks der Verhandlungskunst bedürfen.

Von Paul-Anton Krüger

Als Glanzleistung multilateraler Diplomatie gefeiert, geht das Atomabkommen mit Iran in diesen Wochen einem schleichenden Tod entgegen. Um es noch zu retten, wird es wieder eines Kabinettstücks der Verhandlungskunst bedürfen - die Erfolgsaussichten sind überschaubar. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nimmt die Vermittlungsbemühungen nun persönlich in die Hand. Das demonstriert Teheran und dem Rest der Welt, wie ernst man in Europa die Lage sieht und welche Bedeutung man dem Erhalt des Deals beimisst.

Iran hat wie erwartet angekündigt, ein weiteres zentrales Limit für seine Atomindustrie nicht länger zu achten. Das ist keine Lappalie. Der Zweck dieser Bestimmungen liegt darin, die Islamische Republik auf sicherer Distanz zu jedem Versuch zu halten, sich Atombomben zu verschaffen.

Iran eskaliert (noch) vorsichtig, in Zeitlupe, was Raum für Gespräche lässt. Aber je mehr Bestimmungen Iran ignoriert, desto unwahrscheinlicher wird es, dass der Deal hält. Die Folgen sind klar, darauf hat Macron hingewiesen: Die EU wird ihre Sanktionen dann auch wieder in Kraft setzen. Am Ende steht der UN-Sicherheitsrat, ein triumphierender US-Präsident Donald Trump und ein Szenario, in dem die Eskalation, getrieben von der regionalen Dynamik, rasend schnell sein kann und kaum noch aufzuhalten.

Das liegt so wenig im Interesse Europas wie Irans. Die Europäer haben sich offen gegen Trump gestellt. Politisch kann Teheran das als einen Erfolg verbuchen, von dem Russlands Präsident Wladimir Putin im Verhältnis zum Westen nur träumt. Teherans Sicht ist freilich eine andere: Politische Solidarität ändert nichts daran, dass die US-Sanktionen die Ölverkäufe strangulieren, mithin die wichtigste Einnahmequelle des Regimes.

Daran, das wird Iran akzeptieren müssen, können die Europäer nicht groß rütteln. Weder Blockadedekrete gegen Sanktionen noch die Zweckgesellschaft Instex werden etwas daran ändern, dass kein europäisches Unternehmen mit Geschäftsinteressen in Amerika sich für Iran verbrennt, geschweige denn Öl dort kauft. Irans größter Ölkunde ist übrigens China, ein Partner des Abkommens, der regelmäßig erklärt, dass er die US-Strafen nicht akzeptiert.

Um das Atomabkommen zu retten, wird große Verhandlungskunst nötig sein

Die Europäer sollten alles tun, die Situation der Menschen in Iran zu verbessern, und Medikamente sowie andere humanitäre Güter liefern, die knapp sind. Sie können diplomatisch auf Gespräche bauen, die Macron Ende 2018 mit Iran geführt hat, die Teheran dann wegen der US-Sanktionen abgebrochen hat. Die grundlegende Machtkonstellation aber können die Europäer trotz aller Wünsche nach strategischer Autonomie nicht brechen.

Die Bedeutung des Dollars, die US-Militärpräsenz, die Tatsache, dass viele arabische Staaten ebenso wie Israel Iran als Störenfried betrachten: Das alles spielt Washington in die Hand. Der Konflikt kann letztlich nur zwischen Iran und Amerika gelöst werden. Das aber ist unwahrscheinlich, solange die Falken im Weißen Haus Irans Wirtschaftskrise und sporadische Proteste als Anzeichen eines bevorstehenden Regimekollaps fehldeuten. Und solange die mächtigen Hardliner in Teheran dem Hirngespinst anhängen, sie könnten nun nach Erfolgen in Syrien, Irak und Jemen und angesichts Trumps isolationistischer Reflexe Amerika endgültig aus der Region vertreiben.

© SZ vom 08.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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