Irak:Pulverfass Basra

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Der Kampf um die Kontrolle der Stadt im Süden könnte das ganze Land wieder entzünden. Die Lage in der strategisch wichtigen Hafenstadt ist unübersichtlich und gefährlich, seitdem die Briten sich verabschiedet und Basra sich selbst überlassen haben.

Tomas Avenarius

Segen und Fluch liegen im Irak nahe beieinander. So verfügt das Land über gewaltige Reserven an Erdöl und Gas. Aber der Export des Rohstoffreichtums machte schon immer Schwierigkeiten. Das liegt nicht allein am Krieg, den die Amerikaner vor fünf Jahren auch mit dem strategischen Blick auf die Rohstoffreserven des Landes begonnen haben (und der den Zusammenbruch der irakischen Ölwirtschaft bewirkt hat).

Ein irakischer Polizist in Basra: Nach dem Rückzug der Briten blieb die Stadt sich selbst überlassen. (Foto: Foto: AP)

Das Land hat - unabhängig vom Krieg - ein grundlegendes Problem: Es hat nur einen einzigen brauchbaren Zugang zum Meer. Der Doppelhafen von Basra und dem vorgelagerten Umm Kasr ist die Achillesferse der irakischen Ölwirtschaft.

Der beschränkte Zugang zum Persischen Golf hat schon im Krieg Saddam Husseins gegen Iran in den achtziger Jahren eine Rolle gespielt. Wenn der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki nun seine Soldaten in Marsch setzt, um in Basra für Ordnung zu sorgen, so hat auch dies mit dem Öl zu tun: Die Millionenstadt im Süden ist und bleibt das Tor zu den internationalen Transportrouten. Zudem lagern rund um Basra mehr als 60 Prozent der Erdölreserven des Landes. Jede irakische Regierung, die das Land beherrschen will, muss sich die Kontrolle über Basra sichern.

Derzeit ist die Stadt nicht in der Hand der Regierung. Zu Beginn der Besatzung im Jahr 2003 hatten dort die Briten das Sagen. Aber sie zogen sich 2007 sang- und klanglos zurück und überließen die Stadt sich selbst. In Basra geben nun schiitische Milizen den Ton an. Zu ihnen gehören einerseits der oberste Islamische Irakische Rat ISCI - er ist auch in der Bagdader Regierung vertreten. Zum anderen ist da die Mahdi-Armee des Predigers Muktada al-Sadr, der ebenso radikal wie politisch schwer berechenbar ist. Sadr hat seine Minister unter lautem Getöse vor einigen Monaten aus der Zentralregierung zurückgezogen.

Hinzu kommen mafiöse Gruppen; sie mischen bei den illegalen Ölgeschäften der Milizbosse mit. Ein Sohn des ISCI-Chefs Abdul Aziz al-Hakim etwa soll einer der Paten des illegalen Ölhandels in Basra sein - was bestätigen würde, dass Kriminalität und Korruption auf höchster Ebene angesiedelt sind. Nicht zu vergessen sind die iranischen Geheimdienste: In keinem anderen Teil des Irak sind die Perser so präsent wie in Basra.

Auf den ersten Blick kann es nur im Interesse des Irak liegen, dass die Armee die Stadt nun mit Hilfe von US-Truppen unter Kontrolle bringen will. Regierungschef Maliki - und seine ungeliebten amerikanischen Schutzherren - gehen dabei allerdings ein beträchtliches Risiko ein. Der Kampf um Basra kann zum offenen Konflikt zwischen den schiitischen Fraktionen des Landes führen. Sowohl der Islamische Rat als auch die Mahdi-Armee sind bis an die Zähne bewaffnet. Sollte die Mahdi-Armee ins Hintertreffen geraten, würde sie den Kampf möglicherweise auf Bagdad übergreifen lassen.

Das fiele leicht. Mahdi-Chef Muktada al-Sadr kontrolliert einen Bagdader Stadtteil, der für sich genommen eine Millionenstadt ist: Sadr-City ist seine Zitadelle mitten in der Hauptstadt. Sadr pendelt zwischen radikaler Militanz und politischem Pragmatismus. Mehrmals hat er seine Milizionäre gegen die US-Armee antreten lassen. Dann aber hat er vor einigen Monaten einen Waffenstillstand ausgerufen - und hält ihn ein. Er kann dies allerdings jederzeit ändern.

Im Falle eines Krieges der US-Armee gegen Sadrs Schiitenmiliz wäre es wohl vorbei mit der relativen Ruhe im Irak. Die Kämpfe dürften rasch auf die derzeit unter der US-Flagge antretenden Sunniten-Milizen übergreifen. Die Zahl der gefallenen amerikanischen Soldaten würde deutlich ansteigen, das große innerirakische Massakrieren würde wieder seinen Lauf nehmen. Die USA - und ihr ungeliebter irakischer Stiefsohn Maliki - könnten so auf einen Schlag verlieren, was sie in den vergangenen neun Monaten an Boden gutgemacht haben.

© SZ vom 26.03.2008/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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