Irak:Jeden Tag 50 Tote

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Iraks Ex-Präsident Allawi hat die USA davor gewarnt, die Probleme im Irak noch länger herunterzuspielen. Das Land befinde sich längst im Bürgerkrieg.

Tomas Avenarius

Zum dritten Jahrestag des Kriegsbeginns im Irak hat die US-Armee ihre Offensive gegen Rebellen fortgesetzt. Dafür wurde sie von der irakischen Führung scharf kritisiert. Bagdad sieht durch die US-Militäraktion die Verhandlungen über eine "Regierung der nationalen Einheit" behindert.

Der einflussreiche frühere irakische Ministerpräsident Ijad al-Allawi warnte, das Land gerate immer tiefer in den Sog eines Bürgerkriegs. In Europa forderten zehntausende Demonstranten einen Abzug der Truppen aus dem Irak. Proteste gab es vor allem in London und Rom. In den USA demonstrierten dagegen nur einige hundert Menschen.

Die umstrittene "Schwärmer"-Offensive war vergangene Woche in der Region Samarra während der schwierigen innerirakischen Verhandlungen zur Regierungsbildung begonnen worden.

In der gleichnamigen Stadt hatten Sunniten-Rebellen am 22. Februar ein schiitisches Heiligtum in die Luft gesprengt; seitdem war es zu weiteren Gewalttaten gekommen.

Die Bagdader Regierung hatte die Militäraktion als unangemessen groß kritisiert. Es würden nicht nur Rebellen, sondern auch zahllose unschuldige Männer festgenommen, sagte Sicherheitsberater Wafik al-Samarei.

Allawi warnte die USA davor, die Probleme im Irak noch länger herunterzuspielen. Das Land befinde sich längst im Bürgerkrieg: "Jeden Tag sterben 50 bis 60 Menschen, wenn nicht mehr. Wenn das kein Bürgerkrieg ist, dann weiß Gott allein, was ein Bürgerkrieg ist."

Reid: Die Gefahr wächst

Der offene Ausbruch eines innerirakischen Konflikts werde die ganze Region destabilisieren. Sowohl die US-Regierung als auch ihre britischen Alliierten bestreiten vehement, dass das Land am Rand eines Bürgerkriegs steht. Der britische Verteidigungsminister John Reid sagte, ein Bürgerkrieg stehe "aktuell nicht bevor".

Er räumte aber ein, dass die Gefahr wachse, wenn es nicht bald zur Regierungsbildung komme. Die Iraker hatten vor drei Monaten ein Parlament frei gewählt; die Führer der Volksgruppen der Schiiten, Kurden und Sunniten konnten sich jedoch bisher nicht auf eine "Regierung der nationalen Einheit" einigen.

Die Hoffnungen auf eine Befriedung des Landes konzentrieren sich inzwischen auf eine Vermittlung durch Iran. Nachdem die irakischen Schiiten solche Gespräche vergangene Woche vorgeschlagen hatten, einigten sich die USA und Iran sehr unverbindlich darauf, miteinander über die Lage im Irak zu reden.

Iran und die USA unterhalten seit Jahrzehnten keine diplomatischen Beziehungen mehr; sie liegen zudem im Streit über das iranische Atomprogramm. Entsprechend gering sind die Erwartungen an die Gespräche.

Tausende Polizisten und Soldaten bewachten am Sonntag den Strom der schiitischen Pilger nach Kerbela, wo die Schiiten das Ende der 40-tägigen Trauerzeit für den im Jahr 680 getöteten Imam Hussein begehen. In Kerbela selbst herrschte ein Fahrverbot.

© SZ vom 20.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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