Interview zum Transrapid:"Dem Flugzeug Konkurrenz machen"

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Der Verkehrswissenschaftler Wolfgang Fengler vermisst beim Transrapid den nötigen politischen Willen in Deutschland und erklärt die Vorteile der Magnetschwebetechnik.

Matthias Kolb

sueddeutsche.de: Herr Professor Fengler, überrascht Sie das Aus für die Münchner Transrapidstrecke?

Beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem Transrapid: Verkehrswissenschaftler Wolfgang Fengler von der TU Dresden (Foto: Foto: oH)

Wolfgang Fengler: Ja, es überrascht mich. Ich hatte eigentlich gedacht, dass der politische Konsens vorhanden ist, in Deutschland eine Anwendungsstrecke für den Transrapid zu bauen. Aber leider habe ich mich offenbar getäuscht.

sueddeutsche.de: Wieso fährt der Transrapid in China, aber nicht in Deutschland?

Fengler: Das hat vor allem mit dem politischen System zu tun. Wir leben glücklicherweise in einer Demokratie, in der alle gesellschaftlichen Gruppen gehört werden, auch wenn dadurch politische Verzögerungen garantiert sind. In China ist das anders: Wenn sich die kommunistischen Funktionäre für etwas begeistern, dann wird das schnell umgesetzt.

sueddeutsche.de: Wie sieht eine ideale Strecke für die Magnetschwebetechnik aus?

Fengler: Der Transrapid ist in der Kernanwendung ein Fernverkehrsmittel. Wichtig für eine passende Strecke ist das Verkehrsaufkommen: Ähnlich wie bei Hochgeschwindigkeitszügen sind hohe Investitionen nötig - und die lassen sich nur refinanzieren, wenn viele Menschen die Strecke nutzen.

sueddeutsche.de: In Deutschland wurden drei Strecken erwogen: eine Verbindung zwischen Berlin und Hamburg, der Metrorapid in NRW sowie die Münchner Flughafenverbindung. Welche hätte am ehesten Chancen gehabt?

Fengler: Die Verbindung zwischen Berlin und Hamburg war die richtige Idee. Die Strecke liegt in einer gewissen Randlage des Verkehrssystems, so dass die Zahl der Fernumsteiger vergleichsweise gering wäre. Trotzdem hätten die beiden Metropolen für genügend Passagiere gesorgt. Wenn man das Projekt durchgezogen hätte, wäre die Magnetschwebebahn jetzt in Betrieb. Ich bin mir sicher: Wenn ein Transrapid in Europa fährt, dann würden weitere Verbindungen folgen.

sueddeutsche.de: Aber das Netz an Hochgeschwindigkeitszügen wie ICE und TGV ist mittlerweile doch sehr dicht in Europa. Wer braucht da den Transrapid?

Fengler: Das stimmt, aber es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um die allmähliche Einführung einer zukunftsträchtigen Technologie. Hochgeschwindigkeitszüge können den Flugzeugen auf Strecken bis zu 600 bis 800 Kilometern Konkurrenz machen - bei einem viel niedrigeren Energieverbrauch. Die Magnetschwebetechnik erreicht mit 300 Stundenkilometern eine 50 Prozent höhere Reisegeschwindigkeit zwischen zwei Stopps als etwa ein ICE. Insofern ist der Transrapid ähnlich schnell wie ein Flugzeug auf der Distanz bis zu 1000 bis 1200 Kilometern.

sueddeutsche.de: Können Sie ein Beispiel für eine solche Strecke nennen?

Fengler: Wir haben die Strecke von Berlin über Prag und Wien nach Budapest untersucht. Das sind etwa 950 Kilometer. Heute braucht der Zug dafür zwölf Stunden - ein ICE würde die Fahrtzeit auf gut fünf Stunden drücken, der Transrapid auf knapp dreieinhalb. Das Flugzeug wäre chancenlos, weil der Transrapid in den Städten hält und bei dieser Streckencharakteristik seinen Vorteil der hohen Geschwindigkeit und der schnellen Beschleunigung voll ausspielen kann.

sueddeutsche.de: Die hohe Geschwindigkeit ist ein Vorteil, aber sie kann auch zum Risiko werden. So wie vor zwei Jahren beim Unfall auf der Teststrecke im Emsland mit 23 Toten.

Fengler: Der tragische Unfall konnte nur auf einer Testanlage passieren; in Bahnsystemen mit öffentlichem Verkehr würde die Sicherungstechnik ausschließen, dass sich ein Werkstattwagen auf der Strecke befindet. Eisenbahnen sind sehr verlässliche Verkehrsmittel und die Sicherheit des Transrapids ist eher noch besser. Schließlich kann er gar nicht entgleisen.

sueddeutsche.de: Siemens will trotz der heutigen Entscheidung an der Magnetschwebebahn-Technik festhalten. Ein richtiger Schritt?

Fengler: Ich finde es gut, dass Siemens weiter investiert. Die Magnetschwebetechnik ist eine der wenigen in Deutschland entwickelten Schlüsseltechnologien, für die es Exportmärkte geben wird. Ich bin der Auffassung, dass die Rad-Schiene-Technik mit ihren heutigen Höchstgeschwindigkeiten um die 300 km/h ihre technisch-wirtschaftlich sinnvolle Obergrenze erreicht hat. Hier hat die Magnetschwebetechnik große Vorteile. Man sollte hier weiter forschen. Es ist auch eine politische Entscheidung: Solange Flugzeuge die empfindliche obere Atmosphäre verschmutzen, nur mit umweltschädlichem Kerosin betrieben werden können und deswegen vom Erdöl abhängen, sollten wir versuchen, so viele Menschen und Güter wie möglich am Boden zu befördern.

sueddeutsche.de: Das Patent zum Transrapid stammt aus dem Jahr 1934. Woran tüfteln deutsche Ingenieure gerade?

Fengler: Nach meinem Wissen wird vor allem an Verbesserungen bei den Hochgeschwindigkeitszügen und an der Magnetschwebetechnik geforscht. Das Letztere wird auch staatlich gefördert. Von einer ähnlichen neuen Vision wie der Magnetschwebetechnik ist mir nichts bekannt.

sueddeutsche.de: Was glauben Sie: Wird jemals in Deutschland ein Transrapid fahren?

Fengler: Nun ja, das Wort "jemals" lässt ja viel Spielraum. Ich bin überzeugt, dass die Magnetschwebetechnik gut ist und es dafür zukünftig einen Markt gibt. Irgendwann wird eine Magnetschwebebahn in Deutschland fahren - es steht in den Sternen, ob in 20, 30 oder in 50 Jahren.

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