Interview:"Ich möchte keine zweisprachigen Ortsschilder haben"

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Der Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) wendet sich gegen die Förderung neuer Minderheiten und plädiert stattdessen für die Assimilierung.

Heribert Prantl

(SZ vom 27. Juni 2002) - SZ: Wer zu spät kommt, den bestraft der Wahlkampf. Sie haben zu lange gebraucht mit der Vorlage des Zuwanderungs- und Integrationsgesetzes.

(Foto: N/A)

Schily: Für die Verzögerung bin ich nicht verantwortlich. Es gab Gesprächspartner, die großen Wert darauf legten, gewisse Phasen doch erst einmal abzuwarten, zum Beispiel die Berliner Wahl...

SZ: Meinen Sie damit die rot-grünen Koalitionsfraktionen oder Ihre Gesprächspartner von der Union, den bayerischen Innenminister Günther Beckstein und den saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller, mit denen Sie sich verschiedentlich zu Verhandlungen in bayerischen Klöstern getroffen hatten?

Schily: Es war auch ein Auf und Ab mit allen.

SZ: Mit der Union war es letztendlich ein Ab. Hätten Sie nicht immer wieder versucht, der Union entgegenzukommen, wäre die Sache mindestens ein halbes Jahr früher über die Bühne gegangen. Sind Sie sind von Stoiber und Beckstein durch deren Hinhaltetaktik über den Tisch gezogen worden?

Schily: Bei meinen Gesprächen mit Müller und Beckstein in bayerischen Klöstern schien es so, als ob Bereitschaft bestünde, sich auf einen vernünftigen Kompromiss einzulassen. Diese Bereitschaft ist mit der Ausrufung des Kanzlerkandidaten Stoiber erloschen. Müller hat dann nach Ausflüchten und Vorwänden gesucht, um zu vertuschen, dass er seinen Überzeugungen nicht treu bleibt. Er versucht, ebenso wie Stoiber und Beckstein, in der Öffentlichkeit ein Bild vom Inhalt des Zuwanderungsgesetzes zu zeichnen, das entweder Leseschwäche verrät oder den Unwillen, den wirklichen Gesetzestext zu lesen.

SZ: Der Wahlkampf ist ein Kampf um die Interpretationshoheit über das neue Gesetz.

Schily: Es gibt gar nicht viel zu interpretieren. Es geht darum, ob gelogen wird oder nicht.

SZ: Wer lügt?

Schily: Wer behauptet, mit diesem Gesetz gäbe es eine Ausweitung des Zuzugs, der spricht schlicht die Unwahrheit. Also lügt Stoiber. Er behauptet, das Gesetz bringe neue Belastungen für die Sozialsysteme. Das Gegenteil ist richtig - die Belastungen werden eher zurückgehen. Und wenn Herr Stoiber beklagt, dass wir zu große Probleme haben mit Integration von zuziehenden Ausländern - er ist es, der an diesem Zustand nichts ändern will, wenn er das neue Gesetz ablehnt.

Er will straffere Asylverfahren. Gut, genau die bringt das neue Gesetz. Warum also lehnt er es ab? Stoiber sagt auch die Unwahrheit, wenn er so tut, als nähmen Zuwanderer den Deutschen Arbeitsplätze weg. Er weiß ganz genau, dass ein Bewerber aus dem vorhandenen Arbeitskräfte-Angebot in Deutschland immer Vorrang hat, dass an zweiter Stelle ein Bewerber aus den EU-Kandidatenländern rangiert - erst an dritter Stelle der Zuwanderer zum Zuge kommt. Und schließlich operiert der Herr Kanzlerkandidat mit Zuwanderungs-Integrationszahlen, die mit der Wirklichkeit nun gar nichts zu tun haben.

SZ: Er sagt, 600 000 Zuwanderer im Jahr seien zu integrieren.

Schily: Das ist doch schlichter Unsinn.

SZ: Charlotte Höhn, die Direktorin des deutschen Instituts für Bevölkerungsforschung, spricht von 570 000.

Schily: Es ist ein bisschen seltsam, dass die Dame, die in meinem Verantwortungsbereich arbeitet, nicht zuerst einmal zurückgefragt hat, bevor sie sich in dieser Weise verbreitet.

SZ: Was ist die realistische Zahl?

Schily: Die Bruttozahlen gehen etwas auseinander. Bleiben wir bei der Zahl von etwa 600 000. Die Hälfte davon sind Saison- und Werkvertragsarbeiter. Die bleiben nur für wenige Monate. Was redet Herr Stoiber da für einen Unsinn. Dann sind die Asylbewerber abzuziehen. Diese sind hier zur Prüfung ihres Asylgesuches und nicht zur Integration.

SZ: Wenn die als Asylbewerber anerkannt werden oder sonst lange Zeite hier sind, müssen sie natürlich integriert werden.

Schily: Das sind nicht so viele. Wenn man die Genannten abzieht, sind wir vielleicht noch bei einer Zahl von 200000. Dann sind noch rund 150000 EU-Ausländer abzurechnen. Italiener, Spanier, Franzosen und Engländer verursachen nun wirklich keine ernsthaften Integrationsprobleme.

(Weiter mit Teil 2)

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