Interpol:Beihilfe zur Freiheitsberaubung?

Die Klage über den Missbrauch von Interpol durch Erdogan ist laut, richtig - und wohlfeil.

Von Heribert Prantl

Die Klage über den Missbrauch von Interpol durch den türkischen Präsidenten Erdoğan ist laut und richtig - aber auch wohlfeil. Fachleute wissen, wie einfach es ist, Interpol zu missbrauchen. Interpol ist, anders als der Name suggeriert, keine internationale Polizeibehörde, sondern ein privater Verein - der den nationalen Behörden der 190 Mitgliedsstaaten Hilfestellung leistet.

Interpol ist eine Koordinations- und Informationsstelle der nationalen Polizeien. Interpol ist kein globales FBI, Interpol hat keine eigenen Agenten, Interpol verfolgt niemanden aus eigenem Antrieb. Es ist schlicht so: Bei Interpol gehen aus aller Welt nationale Haftbefehle ein; und sie werden von dort an die nationalen Behörden der Mitgliedsstaaten geschickt. Eine fundierte rechtliche Prüfung der nationalen Haftbefehle findet bei Interpol nicht statt. Nach den Statuten darf Interpol zwar bei politischer Verfolgung keine Hilfe leisten; aber das wird zu wenig kontrolliert. Das Sieb hat weite Maschen.

Das heißt: Haftbefehle aus autokratisch oder diktatorisch regierten Staaten werden nicht dadurch geadelt, dass sie via Interpol weitergeschickt werden. Die rechtsstaatliche Prüfung, ob man den Haftbefehl vollziehen darf, obliegt dem Staat, in dem sich der angeblich zu Verhaftende aufhält. Wenn die spanische Polizei einen türkischen Haftbefehl (wie im Fall Akhanlı) einfach vollstreckt, ist sie es, die sich missbrauchen lässt.

© SZ vom 22.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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