Internet:Empört Euch

Die Konzerne nutzen die Chancen, die die EU ihnen lässt.

Von Jan Heidtmann

Anfang der abgelaufenen Woche drehte sich die Empörungsspirale wieder einmal besonders schnell. Kaum hatte das EU-Parlament nach zwei Jahren Debatte endlich Regeln für den Datenverkehr im Internet beschlossen, schwoll die Welle der Kritik auch schon heftig an: Ein "dreckiger Deal" sei die neue Verordnung, "die großen Telekom-Konzerne haben sich durchgesetzt", die Netzneutralität sei "geopfert" worden.

Nun wird im Digitalen ja gerne schnell geschossen, doch diesmal waren es allesamt Treffer. Denn schon kurz darauf präsentierte Telekom-Chef Timotheus Höttges den Businessplan zum EU-Beschluss. In Zukunft, sagte Höttges, solle es sogenannte Spezialdienste im Internet geben, die von den Netzbetreibern gegen einen Aufpreis bei der Datenübertragung bevorzugt werden. Doch während in der EU-Kommission dabei mehr an Systeme zur Steuerung des Verkehrs oder medizinische Anwendungen gedacht wurde, denkt Höttges auch an das große Geschäft: mit Online-Spielen zum Beispiel oder dem Verleih von Filmen.

Dem Unternehmens-Chef Höttges ist kein Vorwurf zu machen, wohl aber Günther Oettinger, dem EU-Kommissar für Digitales. Statt die Netzneutralität fest zu verankern, hat er ohne Not den ersten Schritt zum Zwei-Klassen-Netz zugelassen. Bleibt die Hoffnung, dass bald gegen die neue Regelung geklagt wird. Dann könnte der Europäische Gerichtshof die Rechte der EU-Bürger stärken. Wieder einmal.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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