Indonesien:Heimweh eines Unerwünschten

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Sie nennen ihn "Osama Bin Laden Südostasiens": Indonesien fürchtet die Rückkehr des mutmaßlichen Terroristen Hambali aus dem US-Lager Guantanamo.

O. Meiler

Ein Phantom meldet sich zurück. Fast hätten die Indonesier Riduan Isamuddin, besser bekannt unter dem Decknamen Hambali, vergessen. Vor sechs Jahren hatte die CIA den radikalen Islamisten in seinem Versteck in Thailand aufgespürt, auf eine Militärbasis im Indischen Ozean gebracht und von dort weiter nach Guantanamo.

Bali nach den Terroranschlägen im Jahr 2002 - verantwortlich soll der mutmaßliche Terroristenführer Hambali gewesen sein (Foto: Foto: Reuters)

In den Medien zirkuliert nur ein unscharfes und körniges Foto von ihm. Für die Amerikaner aber ist Hambali, 44 Jahre alt, geboren auf Java, militärisch ausgebildet in Afghanistan und Pakistan, gestählt im Krieg gegen die Sowjets, einer der gefährlichsten Terroristen der Welt. Ein globaler Dschihadist.

Im US-Gefangenenlager von Guantanamo, wo der Indonesier einsitzt, ist er als enemy combatant, als "feindlicher Kämpfer", eingestuft. Hambali soll unter anderem die Anschläge auf der Insel Bali organisiert haben, bei denen im Oktober 2002 mehr als 200 Menschen getötet wurden, die meisten waren Touristen. Er galt als Verbindungsmann zwischen der indonesischen Terrorgruppe Jemaah Islamiyah (JI), deren Operationen er leitete, und al-Qaida.

Keiner soll ein besseres Netzwerk gehabt haben in der Region als er. Sein Ziel war es, ein islamisches Kalifat zu errichten, das sich von den südlichen Inseln der Philippinen über Indonesien und Singapur bis nach Malaysia erstrecken würde. Die Medien nannten ihn den "Osama Bin Laden Südostasiens". Und George W. Bush zählte ihn zu jenen 14 Guantanamo-Häftlingen, die auf keinen Fall freigelassen werden dürften.

Nun regiert in Washington Barack Obama, und der will Guantanamo schließen. Plötzlich ist Hambali in Indonesien wieder in aller Munde, das Phantom erhält Konturen - mehr Konturen jedenfalls, als es der indonesischen Regierung lieb sein kann in diesem Wahljahr. Holt sie Hambali zurück, werden die Medien groß berichten, was die Sympathien für JI unter den radikalen Geistern wieder aufwecken könnte; in Indonesien herrscht die Meinung vor, Hambali sei in der Haft gefoltert worden.

Außerdem ist unklar, ob die Justiz genügend Beweise hat, um den Rückkehrer zu verurteilen. Am liebsten wäre es der indonesischen Regierung deshalb, dass die Amerikaner Hambali behielten - oder dass sie ihn an Malaysia, Thailand oder die Philippinen auslieferten, die Hambali gern den Prozess machen würden.

Der Unerwünschte selber will aber offenbar unbedingt und sehr bald zurück in die Heimat, nach Indonesien. Die Zeitung Jakarta Globe berichtete dieser Tage, zum ersten Mal seit der Verhaftung Hambalis habe eine Delegation von Densus 88, der viel gerühmten indonesischen Anti-Terror-Polizeieinheit, den Insassen im Februar in Guantanamo besuchen dürfen.

Hambali habe darum gebeten, sich der indonesischen Justiz stellen zu dürfen. Er soll gestanden haben, um die Jahrtausendwende in einige Terroranschläge auf den Philippinen und in Indonesien involviert gewesen zu sein.

Der mutmaßliche Terroristenführer Hambali (Foto: Foto: Reuters)

Die Frage ist, wie viel diese Geständnisse wert sind. Hambalis Heimweh beruht nicht auf Sentimentalität, sondern vor allem auf juristischen Überlegungen. Das indonesische Anti-Terror-Gesetz von 2003 sieht nämlich nicht vor, dass Taten rückwirkend verfolgt werden können. Und da Hambali seine ihm angelasteten Taten vor 2003 begangen hat, müsste ihm wahrscheinlich ein normaler Strafrechtsprozess gemacht werden.

Dafür bräuchte es aber klare Indizien und Zeugenaussagen zu spezifischen Vorwürfen. Im Fall von Abu Bakar Baschir, dem radikalen Kleriker, Gründer und Einflüsterer von JI, reichte das Material vor Jahren nicht aus, um ihn zu einer langen Haftstrafe zu verurteilen wegen seiner angeblichen Verwicklung in die Anschläge von Bali. Baschir ist wieder frei.

Die Ablehnung wächst

Nun gibt es offenbar zwei ehemalige Mitglieder von Jemaah Islamiyah, Ali Imron und Mubarok, die bereit sein sollen, in einem Verfahren gegen ihren früheren Chef Hambali auszusagen. Beide wurden sie wegen Beteiligung an den Anschlägen von Bali zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt und behaupten jetzt, Hambali sei der Mastermind gewesen hinter einer Serie von Anschlägen gegen Christen an Weihnachten 2000.

Damals griff JI in 15 Städten im Land, verteilt auf sechs Provinzen, gleichzeitig Kirchen und Häuser von Christen an; 18 Menschen wurden getötet. Hambali soll das Geld für die Operation aus Pakistan beschafft und die Kommandos zusammengestellt haben. Nur ihm trauten Experten die Planung einer solch großen Aktion zu. So sollten die Ressentiments gegen Christen geschürt und damit die radikalen Kreise noch mehr radikalisiert werden.

In der mehrheitlich toleranten indonesischen Gesellschaft wuchs dagegen die Ablehnung gegen die Terroristen. Selbst gemäßigt islamistische Parteien verloren danach an Zuspruch in der Bevölkerung. Das wiederum stärkte den Staat in seinem Kampf gegen die Extremisten im Allgemeinen und gegen Jemaah Islamiyah im Besonderen. Es ist eine relative Ruhe eingekehrt, die man sich nun nicht von einem Rückkehrer stören lassen will.

© SZ vom 14.03.2009/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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