Ibiza-Video:Das Beben in Österreich

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Das Strache-Video hat nicht nur den Vizekanzler zum Rücktritt gezwungen, sondern auch die Regierungskoalition gesprengt. Jetzt soll es Neuwahlen geben. Doch wie will Kanzler Kurz weitermachen?

Von Frederik Obermaier, München

(Foto: SZ)

Österreich muss nach dem spektakulären Ende der rechts-konservativen Koalition eine neue Regierung bilden. "Ich plädiere für vorgezogene Neuwahlen zu Beginn des September", sagte der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Sonntag. Der österreichische Vizekanzler und FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache war einen Tag zuvor zurückgetreten, nachdem die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel versuchte Absprachen mit einer vorgeblichen russischen Oligarchen-Nichte öffentlich gemacht hatten. Bundeskanzler Sebastian Kurz kündigte daraufhin die Koalition von ÖVP und FPÖ auf. Unklar ist, ob die noch amtierenden FPÖ-Minister bis zu den Neuwahlen im Amt bleiben.

Auslöser der Regierungskrise war ein heimlich aufgenommenes Video, das SZ und Spiegel zugespielt worden war. Es wurde im Juli 2017 auf Ibiza aufgezeichnet und zeigt ein mehrstündiges Treffen von Heinz-Christian Strache, dem damaligen Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus und dessen Ehefrau mit einer vermeintlichen reichen Russin sowie einem männlichen Begleiter. Die beiden waren in Wahrheit Lockvögel, das Ganze eine Falle. Strache, damals FPÖ-Chef, stellte Gegenleistungen in Aussicht, wenn ihn die vermeintliche Nichte eines Oligarchen bei der bevorstehenden Nationalratswahl unterstütze. So sollte sie Staatsaufträge zugeschanzt bekommen. Etliche Vorschläge wären - hätte man sie umgesetzt - mutmaßlich illegal gewesen.

"Genug ist genug" erklärte Bundeskanzler Kurz am Samstag mit Blick auf die Aufnahmen. Er kritisierte die darin artikulierten "Ideen des Machtmissbrauchs, die Ideen zum Umgang mit österreichischen Steuergeldern und natürlich auch das Verständnis gegenüber der Medienlandschaft in unserem Land." Am Sonntagabend sagte Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP), er gehe davon aus, dass Kurz dem Bundespräsidenten die Entlassung von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl vorschlagen werde. Die FPÖ wiederum hat angedroht, dass im Fall einer Entlassung Kickls alle ihre Regierungsmitglieder das Kabinett verlassen würden

Heinz-Christian Strache entschuldigte sich am Samstag für seinen "katastrophalen und äußerst peinlichen" Auftritt in dem Video. "Das war eine b'soffene G'schicht", erklärte er, "ein typisch alkoholbedingtes Machogehabe." Die in dem Video angedeuteten - verdeckten - Parteispenden seien nie geflossen. Zugleich beklagte Strache, dass kriminelle Netzwerke hinter dem Video stecken würden. "Das war ein gezieltes politisches Attentat." Neben Strache trat auch der bisherige FPÖ-Fraktionsvorsitzende Johann Gudenus von seinen Ämtern zurück. Am Sonntagabend gab dieser zudem seinen Austritt aus der FPÖ bekannt.

Sowohl Gudenus als auch Strache beteuerten, nach Ibiza nicht mehr mit der vermeintlich reichen Russin in Kontakt gewesen zu sein. Zumindest Gudenus blieb jedoch offenbar mit dem Vertrauten der Frau in Kontakt. Audio-Aufnahmen, die SZ und Spiegel vorliegen, zeigen, dass Gudenus weiter Interesse an einem Deal mit der Russin bekundete. Offenbar ließ er eine Pressemitteilung mit einem vorher vereinbarten Text verschicken, um Zustimmung zu signalisieren.

Auf Anfrage äußerte sich Gudenus bis Sonntagabend nicht dazu. Der österreichische Bundeskanzler Kurz forderte indes eine "lückenlose Aufklärung" des Falles. Alle Verdachtsmomente, die sich aus dem Video ergeben, müssten geprüft werden. Zudem müsse geklärt werden, wie das Video entstanden sei und wer es beauftragt habe, sagte Kurz. SZ und Spiegel machen aus Gründen des Quellenschutzes keine Angaben zur Herkunft der Aufnahmen. Die SPÖ erstattete bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Anzeige gegen Strache und Gudenus. Es bestehe der Verdacht "wesentlicher Vorbereitungshandlungen zur Durchführung strafbarer Handlungen". Der österreichische Rechnungshof forderte von der FPÖ Aufklärung zu womöglich illegalen Parteispenden.

Bundespräsident Van der Bellen sprach mit Blick auf das Skandalvideo von Bildern, die ein verstörendes Sittenbild zeigten. "So ist Österreich einfach nicht." Nun müsse alles getan werden, um das Vertrauen wieder herzustellen. "Es geht auch um das Ansehen Österreichs in der Europäischen Union und in der ganzen Welt."

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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