Horst Köhler:Der Mann, der stets gerufen wird

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Von Gerhard Stoltenberg entdeckt, von Theo Waigel gefördert - die Karriere des IWF-Direktors.

Von Marc Hujer und Nikolaus Piper

Niemand kann Horst Köhler vorwerfen, dass er sich in seine Karriere gedrängt hat. Wie jetzt, da es um das höchste Staatsamt geht, hat sich der 61-Jährige auch früher nie beworben, er wurde immer gerufen oder entdeckt. So war es auch, als er seinen derzeitigen Job als Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington bekam.

(Foto: Foto: dpa)

Anfang 2000, als die Amtszeit des Franzosen Michel Camdessus beim IWF endete, forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder ziemlich schroff, dessen Nachfolger müsse ein Deutscher werden. Schröder präsentierte auch gleich einen Kandidaten: den damaligen Finanz-Staatssekretär Caio Koch-Weser, der zuvor bereits Vizepräsident der Weltbank gewesen war. Eingeweihte hätten dem Kanzler gleich sagen können, dass aus der Sache nichts werden würde, schon weil der damalige US-Finanzminister Larry Summers Koch-Weser nicht leiden konnte.

Als sich der Widerstand der Amerikaner als unüberwindlich erwies, verfiel die Bundesregierung auf Köhler, der damals die Osteuropa-Bank in London leitete. Das war insofern konsequent, als Köhlers Freund und Förderer, Ex-Finanzminister Theo Waigel (CSU), den Londoner Posten für Köhler stets als Durchgangsstation zum IWF gesehen hatte.

Entdeckt hatte Köhler Waigels Vorgänger Gerhard Stoltenberg. Der holte den Volkswirt, der als Kind rumäniendeutscher Eltern 1943 auf der Flucht in Polen geboren worden war, aber im schwäbischen Ludwigsburg aufwuchs, 1981 als Wirtschaftsreferenten in die Staatskanzlei nach Kiel. Der Historiker Stoltenberg war damals Ministerpräsident und verstand nicht übermäßig viel von Wirtschaft. Daher war die Stellung Köhlers von Anfang an nicht zu unterschätzen. Als Stoltenberg 1982 Bundesfinanzminister unter Helmut Kohl wurde, brachte er Köhler mit nach Bonn.

Dort übernahm Köhler 1989 die wichtige Abteilung Geld und Kredit, womit er genau an der richtigen Stelle saß, als die Mauer fiel: Köhler arbeitete maßgeblich am Vertrag über die deutsch-deutsche Währungsunion mit. Anfang 1990 berief ihn Waigel zum Staatssekretär. In dieser Zeit hat sich Köhler seinen Ruf als extrem effizienter und belastbarer Fachmann erworben.

Er hatte entscheidenden Einfluss auf den Einigungsvertrag zwischen Bundesrepublik und DDR, auf die Verträge zum Abzug der Roten Armee aus Ostdeutschland und schließlich auf den Vertrag von Maastricht über die Europäische Währungsunion. Gleichzeitig wurde Köhler wichtigster Berater von Kanzler Kohl in Wirtschaftsfragen und bereitete als "Sherpa" den Münchener Weltwirtschaftsgipfel von 1992 vor.

Bereits 1981 war Köhler zwar in die CDU eingetreten, hatte sich aber nie parteipolitisch profiliert. Im Oktober 1992 verließ er überraschend die Politik und wurde Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Der Grund war ein familiärer: Köhlers Tochter war damals krank, der Familienvater strebte daher nach mehr Unabhängigkeit. Als oberster Lobbyist der Sparkasssen focht Köhler ziemlich erfolgreich dafür, deren öffentlich-rechtliche Struktur beizubehalten. Im Mai 1998 brachte Waigel Köhler schließlich an die Spitze der Osteuropa-Bank.

Bei seinem Wechsel nach Washington zwei Jahre später hatte Köhler zunächst einen schweren Stand. Der Apparat des IWF liebte den damaligen Vize Stanley Fischer, der selbst Ambitionen auf den Spitzenjob gehabt hatte und bald nach Köhlers Amtsantritt kündigte. Auch Fischers Nachfolger Kenneth Rogoff verließ den IWF vorigen September nach kurzer Zeit. Wenn ein neuer Chef auf Widerstand stößt, ist das allein zwar noch kein schlechtes Zeichen, doch Köhler wurden auch Jähzorn vorgeworfen und Ungeschick in diplomatischen Fragen.

Köhler habe zwar "solide Arbeit" geleistet, und der Fonds sei von größeren Katastrophen verschont geblieben, sagen IWF-Mitarbeiter heute. Köhler habe aber auch nie für überraschende Ideen gesorgt. Einige halten ihn auch für entscheidungsschwach. Mit dem amerikanischen Finanzministerium verlief die Zusammenarbeit zumindest klaglos, auch wenn der frühere Minister Paul O'Neill und Köhler konträre Positionen zur Bedeutung des US-Leistungsbilanzdefizits vertraten. Öffentliche Kritik handelte sich Köhler erst im vergangenen Jahr ein.

Viele Experten in- und außerhalb des IWF warfen ihm damals vor, mit der bankrotten argentinischen Regierung zu lange zu nachsichtig gewesen zu sein; das Land habe den IWF regelrecht erpresst. Als gescheitert gilt Köhlers wichtigste interne Reform, die Einrichtung der Kapitalmarktabteilung, die eine bessere Verbindung zwischen öffentlichem und privatem Sektor schaffen sollte. "Die Kapitalmarktabteilung ist das erste, was abgeschafft wird, wenn Köhler den IWF verlässt", sagt ein Mitarbeiter.

Besonders Köhlers reiche internationale Erfahrung dürfte bei seiner Nominierung als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten eine Rolle gespielt haben. "Es ist doch von Vorteil, wenn einer mit Bush ohne Dolmetscher reden kann," sagt ein Unionspolitiker. Und dem einen oder anderen aus der älteren Generation dürfte es bei Köhlers Reden nostalgisch zumute werden: Sein sanftes Schwäbeln erinnert verblüffend an den Duktus des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss.

© SZ vom 5.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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