Homosexualität:Bunter Widerstand

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66 Länder protestieren dagegen, dass vielerorts gleichgeschlechtlicher Sex noch immer mit Gewalt oder gar dem Tod geahndet wird. Nicht dabei: der Vatikan - und die USA.

Cathrin Kahlweit

In Jamaika drohen zehn Jahre Haft, Chile verhängt bei bestimmten homosexuellen Praktiken Gefängnisstrafen, in Uganda laufen Homosexuelle Gefahr, lebenslang eingesperrt zu werden. In Bhutan kommen Schwule meist mit Geldstrafen davon, in Katar werden sie ausgepeitscht. Singapur bestraft zwar schwule Männer, nicht aber lesbische Frauen, in Tobago kann Homosexuellen die Einreise verweigert werden.

In Osteuropa kommt es immer wieder zu brutalen Übergriffen gegen Homosexuelle, wenn diese öffentlich Gleichberechtigung einfordern. Hier ein Teilnehmer einer Schwulen-Parade in Ungarn, der durch Schläge verletzt wurde. (Foto: Foto: AP)

Die Liste der Warnungen, die sich auf den Internetseiten gleichgeschlechtlicher Gruppen finden, nennt 80 Länder, in denen Homosexualität noch als Straftat gilt, weil sie als "unasiatisch", "unafrikanisch", als "widernatürlich" oder schlicht als "widerlich" angesehen wird.

Daher hat es der Inhalt des Dokumentes in sich, das den spröden Titel trägt: "Erklärung über Menschenrechte, sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität." Am Donnerstag haben es 66 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen unterschrieben. Sie wollen damit dagegen protestieren, dass vielerorts auf der Welt gleichgeschlechtlicher Sex noch immer als kriminell eingestuft, mit Gewalt oder gar dem Tod geahndet wird. In Iran wird man dafür gehängt, in Saudi-Arabien geköpft, und auch im Sudan, Mauretanien und im Jemen hingerichtet.

Die Nachricht, dass 66 Staaten, darunter Deutschland, diese Strafen nicht dulden wollen, ist in aufgeklärten Zeiten und im Angesicht von 60 Jahren Menschenrechts-Charta eigentlich nicht weiter verwunderlich. Verwunderlich ist vielmehr die Liste der Staaten, welche die Erklärung nicht unterschreiben mochten, die von Frankreich und den Niederlanden eingebracht worden war. Dazu gehören die USA und Russland, aber auch die meisten arabischen Staaten, und - wiederum wenig überraschend - der Vatikan.

Washington argumentiert damit, dass man nicht "landesweit Dinge festschreiben" könne, die in die Zuständigkeit von Bundesstaaten fielen. Der deutsche Bundestagsabgeordnete Volker Beck von den Grünen hingegen hat dafür seine eigene Erklärung: "Das ist eindeutig die Bush-Regierung, die hier ihre moralischen Einwände erhebt." Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass in vielen US-Staaten immer noch sogenanntes totes Recht bestehe, das Homosexualität unter Strafe stelle - Gesetze also, die nie abgeschafft worden seien, allerdings auch nicht mehr angewendet würden.

Russland und andere osteuropäische Staaten sind traditionell homophob, in der arabischen und muslimischen Welt verbietet die Scharia schwule Aktivitäten. Der Vertreter des Vatikan bei der UN, Erzbischof Celestino Migliore, hatte vor der Unterzeichnung beklagt, mit diesem Dokument würden jene Staaten an den Pranger gestellt, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht akzeptieren wollten. Außerdem mochte sich der Vatikan offenbar nicht mit Ideen wie "Geschlechtsidentität" und "sexueller Orientierung" auseinandersetzen; solche Begrifflichkeiten seien keine "klaren Definitionen", kritisierte der Heilige Stuhl.

Volker Beck, der als menschenrechtspolitischer Sprecher der Grünen die nicht bindende Erklärung begrüßt, sieht in ihr einen Fortschritt. Immerhin hätten vor Jahresfrist noch weit mehr Staaten eine ähnliche Initiative Brasiliens abgelehnt. "Offenbar hat sich die Minderheit derer, die gegen eine Strafverfolgung einstehen, vergrößert", sagt er.

In Deutschland war Homosexualität nach Paragraf 175 des Strafgesetzes bis 1994 verboten; 1969 wurde das Gesetz dahingehend reformiert, dass nur noch homosexuelle Handlungen mit Jungen unter 18 strafbar waren. Etwa 140.000 Männer wurden nach Paragraf 175 verurteilt.

© SZ vom 20.12.2008/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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