Hilfen für den Mittelstand:In die Vollen

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Die Banken hätten ihren Ruf aufpolieren können, indem sie in der Krise notleidende kleine und mittlere Firmen unterstützen. Nun übernimmt der Bund die volle Bürgschaft für die Kredite. Das ist eine gefährliche Strategie.

Von Meike Schreiber

Lange hat es nicht gedauert, bis die Bundesregierung den Wünschen der Wirtschafts- und Bankenverbände nachgekommen ist: Der Staat geht jetzt in Vorleistung, um die Corona-Krise abzumildern, und zwar wie wohl noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Bund will nun auch Kredite für kleine und mittlere Unternehmen, die von Corona betroffen sind, zu 100 Prozent absichern. Die Banken seien angeblich zu zögerlich gewesen, die Hilfskredite auch tatsächlich auszureichen, klagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Über das Wochenende musste daher offenbar eiligst die Forderung der Wirtschaftsverbände nach Vollbürgschaften erfüllt werden. Insgesamt könnte der Staat Garantien von bis zu 300 Milliarden Euro übernehmen. Unternehmen mit maximal 250 Mitarbeitern können bis zu 800 000 Euro Kredit erhalten. Das birgt für den Staat große Risiken.

Es ist natürlich völlig richtig, dass der Bund nun alle jene Unternehmen mit Zuschüssen und Krediten unterstützt, die durch die Corona-Krise unverschuldet über Wochen und vielleicht Monate einen Großteil oder fast alle Einnahmen verlieren. Man will den Zusammenbruch der Wirtschaft verhindern. Bedenklich aber ist, dass der Staat die kreditgebenden Banken nun plötzlich weitgehend aus dem Risiko entlässt.

Eigentlich sollten die Geldhäuser zumindest zehn bis 20 Prozent des Kreditrisikos tragen, während die bundeseigene Förderbank KfW den Großteil übernehmen sollte. Das wäre kein ganz schlechtes Geschäft für die Banken gewesen: Zwar werden viele Kredite ausfallen, immerhin aber kassieren die Institute dafür Zinsen. Zugleich hätten sie beweisen können, dass sie auch in schwerer Zeit an der Seite ihrer Kunden stehen. Gerade die Sparkassen tragen es wie eine Monstranz vor sich her, "gut" zu sein für Deutschland. Es wäre eine prima Gelegenheit gewesen, dies zu untermauern. Und tatsächlich sahen viele Banken in der Krise auch eine Chance, ihren seit der Finanzkrise ramponierten Ruf aufzufrischen: Bis Donnerstag hatten Firmen etwa 3200 Anträge bei der KfW gestellt, wovon bereits etwa 2700 genehmigt wurden. Die Sache hat also nicht so schlecht funktioniert.

Nun aber geht man dennoch in die Vollen: Die Banken sollen die Kredite sogar ohne die übliche Risikoprüfung ausreichen. Das Risiko für den Bund erhöht sich dadurch immens, auch wenn Finanzminister Olaf Scholz die Wahrscheinlichkeit für gering hält, "dass die Kredite am Ende nicht zurückgezahlt werden". Daran wird er sich messen lassen müssen. Denn nun wird der Bund auch unzählige schwache Unternehmen mit staatlichen Krediten subventionieren, welche die Banken wahrscheinlich gleich aussortiert hätten.

Die Politik hatte eigentlich gerade die Kapitalvorschriften für Banken in Windeseile gelockert, damit sie die Kraft haben, für viele Milliarden Kredite zu vergeben und Risiko zu tragen. Sollte sich nun zeigen, dass die Banken bei der krisenbedingten Kreditvergabe doch keine große Rolle spielen oder gar nur Zinsen kassieren und dem Bund das Risiko lassen, sollten die Aufseher die Lockerung zurücknehmen.

Auch in Italien und Spanien wird man verfolgen, wie großzügig Deutschland den eigenen Mittelstand stützt, während sich die Bundesregierung selbst in der größten Not nicht zu gemeinsamen krisenbedingten Euro-Staatsanleihen durchringen kann. Das alles wird sich rächen; wahrscheinlich eher früher als später.

© SZ vom 07.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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