Heuchelei in der CSU:Stoibers Demontage

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Stoiber hat den richtigen Zeitpunkt verpasst, um sich aus der Politik zurückzuziehen. Da er vielen Parteianhängern auf die Nerven geht, ist die einmal angestoßene Debatte um seinen Abschied nun nicht mehr zu beenden.

Sebastian Beck

Edmund Stoiber kann machen, was er will: Sein politischer Niedergang schreitet ungebremst voran. Erstaunlich ist nur, mit welcher Geschwindigkeit der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident jetzt von seinen Gefolgsleuten demontiert wird.

Edmund Stoiber - vom Heilsbringer zur tragikomischen Figur (Foto: Foto: dpa)

Am Wochenende hat CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer das Tabu gebrochen und erstmals den Parteivorsitz Stoibers in Frage gestellt. Die Diskussion darüber wird nun nicht mehr zu stoppen sein.

Mit einer Mischung aus Scham und Fassungslosigkeit beobachtet die Partei, wie sich ihr Heilsbringer Edmund Stoiber binnen eines Jahres in eine tragikomische Figur verwandelt hat, über dessen Rhetorik ganz Deutschland spottet.

Mühsam aufgepäppelter Rekonvaleszent

Dabei müsste die CSU von anderen Parteien eigentlich um solche Probleme beneidet werden: Im 45. Jahr ihrer Alleinherrschaft in Bayern liegt sie in Umfragen bei 54 Prozent, im Münchner Landtag verfügt die CSU-Fraktion über eine Zweidrittelmehrheit, die Wirtschaft im Freistaat floriert. Und dennoch schlottern CSU-Spitzenpolitikern vor Angst die Knie.

Seit Jahrzehnten habe es keine so schwierige Lage mehr gegeben, lautet die verbreitete Einschätzung. Stoibers Krise, so die Befürchtung, könnte sich womöglich zur Krise der gesamten Partei auswachsen.

Eine profilierungsfreudige Landrätin aus Fürth genügte, um den mühsam aufgepäppelten Rekonvaleszenten in die Intensivstation zurückzuwerfen. Gabriele Paulis Forderung nach einer CSU-Mitgliederbefragung zu Stoibers Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2008 mag unsinnig erscheinen.

Die Reaktionen Stoibers und der Parteispitze belegen jedoch, wie groß die Nervosität in der CSU ist. Seit Weihnachten vergeht kaum ein Tag ohne bestellte Solidaritätsadressen. Präsidium und Fraktion sollen nun als nächste ein demonstratives Votum für Stoiber abgeben.

Stoibers langer Abschied

Doch das ist eher ein zusätzlicher Beweis der Schwäche als der Stärke. Selbst einstimmige Ergebnisse werden die Diskussion um die politische Zukunft des Ministerpräsidenten nicht mehr beenden.

Denn die Heuchelei hat in der CSU ein rekordverdächtiges Ausmaß angenommen: In Wirklichkeit geht Stoiber samt seiner Staatskanzlei vielen Parteianhängern schlichtweg auf die Nerven. Nach bald 14 Jahren an der Regierung haben sie ihn satt - so einfach ist das.

Das mag auf Stoiber undankbar und verletzend wirken, schließlich kann er auf eine ganze Reihe von Erfolgen verweisen. Die Stimmung erinnert aber an die letzten Jahre von Bundeskanzler Helmut Kohl, der sich so lange für unersetzbar hielt, bis er endlich ersetzt wurde.

Stoibers langer Abstieg begann schon im September 2003, als er nach dem Wahltriumph das Land mit brachialen Reformen überrumpelte. Das Vertrauen, das er damals verspielte, konnte er nie wieder zurückgewinnen.

Politische Mission beendet

Die große Zäsur brachte der 1. November 2005, als sich Stoiber aus Berlin davonmachte und in den Augen seiner Anhänger wie ein Feigling dastand. In der Bundespolitik wird der Parteichef seitdem auch von der CSU-Landesgruppe nur noch als Störer aus München wahrgenommen. Der 1. November 2005 wäre für Stoiber der richtige Zeitpunkt gewesen, um sich zurückzuziehen. Er hat ihn verpasst.

Vor einem Jahr hätte auch eine Mitgliederbefragung über die Spitzenkandidaten Sinn ergeben, weil in Innenminister Günther Beckstein und dem damaligen Staatskanzleichef Erwin Huber zwei gleichwertige Nachfolger zur Verfügung standen.

Doch Stoiber wollte stur weiter regieren, obwohl seine politische Mission beendet war. Selbst bekennenden Stoiberianern in der CSU fällt nur ein defensives Argument ein, warum er bis 2013 Ministerpräsident bleiben sollte: Zu ihm gebe es nun einmal keine Alternative, heißt es.

Aber auch die verbliebenen Anhänger Stoibers leiden darunter, wie ihr Idol in den Meinungsumfragen auf Sympathiewerte abrutscht, die früher nur Gregor Gysi von der PDS vorbehalten waren.

Provinzfürst auf Abruf

Ein offener Aufstand in der CSU gegen Stoiber ist bisher ausgeblieben, weil ein Machtkampf desaströse Folgen haben könnte. Bei den Mandatsträgern überwiegt noch die Tendenz, Stoiber als Ministerpräsidenten mitzuschleppen, jedenfalls so lange, wie die Partei stabil über 50 Prozent liegt - schließlich sind bereits in einem Jahr Kommunalwahlen, und die gelten als Stimmungstest für die Landtagswahl im September 2008.

Den unumgänglichen Streit um die Stoiber-Nachfolge möchte die Fraktion am liebsten auf die Zeit nach 2008 verschieben.

Und wer sollte ihn auch beerben? Beckstein wirkt nach all den Jahren im Kabinett verschlissen; Fraktionschef Herrmann gilt als führungsschwach. Bleibt allenfalls noch Wirtschaftsminister Erwin Huber, der im Wahljahr seinen 62. Geburtstag feiert und somit auch keinen Generationswechsel symbolisiert.

Nach Ramsauers Vorstoß spricht einiges dafür, dass noch in diesem Jahr Verbraucherschutzminister Horst Seehofer den geschwächten Stoiber an der Spitze der Partei ablösen könnte.

Seehofer ist zwar bei den CSU-Funktionären unbeliebt, auf Bundesebene ist er aber der letzte charismatische Politiker, den die Partei im Moment zu bieten hat. Nur Stoiber würde dadurch endgültig zum Provinzfürsten auf Abruf degradiert.

© SZ vom 8.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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