Heidenau:Unmut über den Landkreis

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Im sächsischen Heidenau konnte nun doch ein Fest für Flüchtlinge stattfinden: Das Dresdner Verwaltungsgericht hat ein zuvor verhängtes Versammlungsverbot für unrechtmäßig erklärt.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

In der Stadt Heidenau darf am Wochenende nicht demonstriert werden. Das sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen hat am Freitagabend ein zuvor vom Dresdner Verwaltungsgericht aufgehobenes Versammlungsverbot des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge teilweise wieder in Kraft gesetzt. Nur für ein Willkommensfest für Flüchtlinge der Initiative Dresden Nazifrei am Freitagnachmittag sei das Verbot ungültig, urteilten die Richter. Alle anderen öffentlichen Versammlungen, darunter eine Kundgebung von rechten Demonstranten, sollten verboten bleiben.

Der Landkreis hatte das Versammlungsverbot eine Woche nach den rechtsradikalen Ausschreitungen mit einem polizeilichen Notstand begründet, auch das Willkommensfest war deshalb untersagt worden. Das sorgte bundesweit für Kritik. Vizekanzler Sigmar Gabriel äußerte Unverständnis, Linken-Chefin Katja Kipping, sprach von einem Notstand der Demokratie. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, eine Demonstration dürfe man nicht verbieten, so schwer die Situation auch sei.

Nach der zeitweisen Aufhebung des Versammlungsverbots durch das Dresdner Verwaltungsgericht konnte das Fest dann doch wie geplant stattfinden. Auch Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) besuchte das Fest, machte aber sofort wieder kehrt, nachdem er mit Pfiffen und "Hau ab"-Rufen bedacht wurde.

Am Freitagabend kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen rechten Demonstranten und der Polizei. Etwa 100 Rechte hatten sich trotz des Versammlungsverbots vor der Flüchtlingsunterkunft versammelt, die Polizei kesselte die Demonstranten ein und erteilte Platzverweise. Am Donnerstagabend hatte sich der Stadtrat von Heidenau zu seiner ersten Sitzung nach den Ausschreitungen vor einer Woche versammelt. Der Zugang zu dieser Sitzung wurde von eigens engagierten Sicherheitskräften überwacht. Bürgermeister Jürgen Opitz erklärte, er habe auch deswegen immer wieder über Medien Öffentlichkeit gesucht, "um die pauschale Verurteilung einer ganzen Stadt zu vermeiden". Deswegen seien die Besuche von Kanzlerin Merkel sowie des Vizekanzlers auch eine Chance für Heidenau gewesen. Die Wortwahl von Sigmar Gabriel habe dabei "nicht meinen Gefallen gefunden", sagte Opitz. Der SPD-Chef hatte über die Randalierer von Heidenau gesagt: "Das ist Pack". Jürgen Opitz kündigte zudem an, er wolle in den kommenden Wochen in Kleingruppen Gespräche mit den Bewohnern seiner Stadt führen, um über Fragen zur Unterbringung von Geflüchteten zu diskutieren. Eine große Bürgerversammlung zum Thema Asyl lehnte er ab. Wer in Freital gesehen habe, wie so eine Versammlung von wenigen niedergeschrien worden sei, der könne nicht ernsthaft auf die Idee kommen, so etwas wiederholen zu wollen. Anschließend erklärten die Vorsitzenden aller Fraktionen gemeinsam ihre "uneingeschränkte Solidarität mit den Flüchtlingen, die Hilfe brauchen". Es gebe "keine Toleranz gegenüber denjenigen, die die Würde anderer infrage stellen".

Bei der Sitzung anwesend war auch NPD-Stadtrat Rico Rentzsch, der die Demonstration am vergangenen Freitag angemeldet hatte, in deren Folge es zu den Ausschreitungen gekommen war. Rentzsch sagte, Gewalt könne niemals ein Mittel sein, um Protest auf die Straße zu bringen. Er habe die Demonstration zwar als Privatperson angemeldet - was drei Stunden nach deren Ende passiere, liege aber nicht mehr in seinem Verantwortungsbereich. Opitz erinnerte daraufhin daran, dass Rentzsch schon häufiger versucht habe, nur als privater Anmelder aufzutreten, um seine Partei dann "die Erfolge feiern" zu lassen.

Etwas deutlicher wurde der Zusammenhang zwischen der Demonstration und den Ausschreitungen danach schließlich in der Bürgerfragestunde. Ein kräftiger Mann aus dem Umfeld von Rentzsch fragte: Herr Opitz, wenn Sie Leute zu einem Fest einladen, wenn diese ein bisschen zu viel trinken und wenn diese Leute auf dem Heimweg dann irgendwo eine Scheibe einschlagen, wer haftet dann? Haften Sie dann oder diese Leute?

Jürgen Opitz antwortete: "Wissen Sie, solche Leute würde ich gar nicht erst einladen".

© SZ vom 29.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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