Hausmusik:Wenn es kracht

Der BGH schafft Raum für das selbst gespielte Instrument, er anerkennt, dass Musizieren eben mehr ist als Rasenmähen.

Von Wolfgang Janisch

Man kann den Wert dieses höchstrichterlichen Urteils zum Trompetenspiel im Reihenhaus gar nicht hoch genug einschätzen. Der Bundesgerichtshof hat sich für die Hausmusik starkgemacht. Üben ist erlaubt, auch wenn es sich zwei oder drei Stunden hinzieht, die Nachbarn müssen das hinnehmen - selbst die Abende sind nicht tabu. Das ist nicht nur ein großzügiges Signal an die in Deutschland so aktive Hobbymusikerszene, es ist zugleich ein grundlegendes Bekenntnis zur Musik im Alltag. Der BGH schafft Raum für das selbst gespielte Instrument, er anerkennt, dass Musizieren eben mehr ist als Rasenmähen. Es geht nicht nur um Geräuschemissionen. Es geht um ein Grundrecht.

Der Fall, über den der BGH zu entscheiden hatte, illustriert freilich, wie aussichtslos die Schlichtung solcher Auseinandersetzungen oft ist, wenn sie erst einmal bei Gericht angelangt sind. Der eine beharrt auf absoluter Stille, der andere auf seinem Recht, nicht nur im Übungsraum zu blasen, sondern auch im Wohnzimmer. Sturheit trifft auf Sturheit, so ist es oft in Nachbarprozessen. Die wechselseitigen Ansprüche, die das Gesetz beiden Seiten bietet, scheinen da mitunter eine kontraproduktive Rolle zu spielen.

Wenn jeder sein Recht partout bis zum Limit ausschöpfen will, dann kracht man häufig aufeinander. Dabei bilden Rechte eigentlich nur das Geländer - besser ist es immer, freihändig zu Kompromissen zu kommen. Die Senatsvorsitzende beim BGH sprach vom Leitbild des "verständigen, toleranten Bewohners". Gäbe es nur mehr davon.

© SZ vom 27.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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