Harte Zeiten für Modernisierer:Wolfgang Clement in neuer Rolle

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Der Wolfgang und der Franz kennen sich seit zwanzig Jahren, aber lieben gelernt haben sich die beiden Westfalen nie. Clement drängte immer schon nach oben, Müntefering blieb bescheiden und wartete lieber ab.

Von Robert Jacobi und Ulrich Schäfer

Der Bochumer propagierte schon als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen einen strammen Reformkurs, der Sauerländer hielt dagegen und tröstete den wichtigsten Landesverband der Sozialdemokratischen Partei. Jetzt soll Müntefering den Trost als mächtiger Vorsitzender und Fraktionschef der SPD bundesweit spenden - und der Wirtschaftsminister wird sich noch enger als bisher mit dem Mann abstimmen müssen, der ihm so wesensfremd ist wie bisweilen seine ganze Partei.

Der Rückzug des Bundeskanzlers vom Parteivorsitz korrigiert das Machtverhältnis zwischen Regierung, Fraktion und Partei. Für Clement hat sich die Arbeitsgrundlage stärker verändert als für jeden anderen Minister der Koalition. Diese Entwicklung zeichnete sich auf dem Parteitag im vergangenen Herbst in Bochum ab. Die Delegierten feierten Müntefering, damals nur Fraktionschef, als heimlichen Chef. Der Kanzler bekam ein anständiges Ergebnis. Abgestraft wurde Generalsekretär Olaf Scholz, der sich nur noch drei weitere Monate im Amt halten konnte. Und abgestraft wurde Clement, der als einer der wenigen Aktivposten natürlich im Kabinett bleibt - als Ersatzkanzler gilt er aber nicht mehr.

Der Superminister an der kurzen Leine

Sein Programm will der Wirtschaftsminister keinesfalls ändern, auch wenn es sich jetzt schwieriger durchsetzen lässt. Müntefering wird ihn sogar, wenn auch begrenzt, unterstützen, denn Clement spielt eine wichtige Rolle für die Partei: Auf Bundesebene ist er der einzige Modernisierer von Format, pflegt die Kontakte zur Wirtschaft und sammelt Punkte, indem er sich über die Blockierer im eigenen Lager mokiert. Im Ausland tritt er so auf, dass seine Gesprächspartner den Eindruck haben, in Deutschland bewege sich endlich etwas.

Eine weitere Lockerung beim Kündigungsschutz oder ähnliche Schocker für die Genossen wird Clement aber kaum mehr öffentlich fordern - es sei denn, Müntefering hat zugestimmt. Und Clement muss damit klar kommen, dass die Kluft zwischen seiner Politik und den Vorstellungen der Partei immer offensichtlicher wird: Der Minister neigt zur Kopfpauschale, die Partei will die Bürgerversicherung. Die Partei will die Ausbildungsplatzabgabe, Clement neue Lasten für die Wirtschaft verhindern.

Eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarkts dürfte es vor der Bundestagswahl in zweieinhalb Jahren nicht geben - auch nicht über den Umweg des Bundesrats. Müntefering wird nicht zulassen, dass die Union seine Partei zu weiteren Zugeständnissen zwingt, erst recht nicht bei der Tarifautonomie, die ihm heiliger ist als dem Wirtschaftsminister. Clement muss sich darauf konzentrieren, dass die beschlossenen Gesetze schnell wirken. Ob das aber reicht, um die Arbeitslosenzahl bis zum Wahltag zu senken, ist ungewiss. Gelingt das nicht, hilft den Sozialdemokraten auch ihr Müntefering nicht weiter.

© SZ vom 10.02.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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